1000 Euro! Ich gebe Dir 1000 Euro, wenn Du diesen Artikel twitterst und mit einem positiven Kommentar bei Facebook postest! Würdest Du das machen? Würdest Du das auch für 50 Euro machen? Für einen Euro? Würdest Du das kostenlos machen?
Für 1000 Euro würdest Du das vermutlich machen: „Toller Artikel von Steffen Voß!“ – Für lau macht das kaum jemand. Zeigt zumindest meine Erfahrung. Geld ist ein guter Organisator. Also wenn Du Geld hast, kannst Du einfach das einsetzen, um Menschen zu organisieren. Stell sie fest an oder bezahl ihnen die Teilnahme an Deiner Community. Wenn Du kein Geld hast, ist die Sache etwas komplizierter.
Geld ist ein guter Organisator
Die Psychologie unterscheidet extrinsische und intrinsische Motivation.
„Motivation bezeichnet die Gesamtheit aller Motive (Beweggründe), die zur Handlungsbereitschaft führen, das heißt das auf emotionaler und neuronaler Aktivität beruhende Streben des Menschen nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten.“ – Wikipedia
Bei der intrinsischen Motivation spricht man diese Beweggründe direkt an – bei extrinsischer Motivation geht man einen Umweg. Wenn jemand Sport mag, kann man ihn zu einem Sport-Event einladen und ihn damit direkt ansprechen. Wenn jemand keinen Sport mag, aber Heimwerken, kann man ihn trotzdem zu einem Sport-Event einladen – wenn man ihm dafür Geld gibt, kann er sich hinterher damit einen Heimwerker-Wunsch erfüllen. Mit Geld spricht man also immer eher die extrinsische Motivation an. Mit Geld kann man Menschen zu allem möglichen bringen. Was auch zeigt, dass reiche Organisationen im Vorteil sind.
Wenn Reichtum bei Dir keine Option ist, musst Du die intrinsische Motivation der Menschen ansprechen. Was ist Deine Motivation? Warum brauchst Du eine Community? Vermutlich hast Du etwas vor, das Du alleine nicht erreichen kannst.
Als mich Alexander Ohrt fragte, ob ich einen Vortrag über das Thema „How to Build a Community“ auf dem Waterkant Festival halten könnte, habe ich mich erst gefragt, was ich dazu beitragen könnte. Okay, ich organisier seit 2006 bereits den WebMontag in Kiel. Aber habe ich davon einen Plan?
Mir ist dann eingefallen, 2013 hatte ich mal das Iron Blogging nach Kiel geholt. So um 2006 habe ich einen Online-Community für die damals neue Google Maps API geschaffen. Ich habe mich jahrelang um die Postnuke/Zikula Community gekümmert. Ich habe schon um 1993 in der Mailbox eine Atari-Community betrieben. Ich habe drei Vereine mitgegründet. Aus nicht allen Projekten ist langfristig etwas geworden. Aber auch daraus kann man etwas lernen.
Lade alle ein, die sich für Deine Community interessieren könnten
Der Anfang ist meist sehr leicht: Ich habe mich auf ein Bier ins Storchnest verabredet, um den WebMontag zu starten. Wenn keiner zusätzlich gekommen wäre, dann wären wir halt nach dem Bier wieder nach Hause gegangen. Für die Google Maps Community habe ich einfach ein Forum installiert. Für die Atari-Community haben wir in der Mailbox einfach einen Ordner „Atari“ angelegt und ich habe angefangen, die Public-Domain-Programme, die ich hatte dort hochzuladen.
Danach muss man allen davon erzählen, die sich für die Community interessieren könnten. Und alle, die schon dabei sind müssen das auch tun. Beim BarCamp lauten die ersten zwei Regeln „Du redest über das BarCamp.“ und „Du bloggst über das BarCamp.“ – und natürlich teilst Du die gute Nachricht auf Twitter, Facebook und wo auch immer. Wenn Du gut findest, was eine Community macht, kannst Du ihr am besten helfen, wenn Du das weitererzählst.
Zur Erinnerung: Die Community kann sich die Werbung nicht kaufen. Reiche Organisationen können sich Werbung kaufen. Die können die klügsten, kreativen Köpfe mit Geld dazu bringen, gut über ihre Organisation zu reden. Communities können das nicht. Also: Mach selbst! Lade andere ein mitzumachen.
Sei verlässlich – bleib dran
Wichtig ist, dass allen klar ist, um was es Deiner Community geht und was sie von ihr erwarten können. Beim WebMontag war es zu Anfang ungeheuer wichtig, dass der immer am 3. Montag im Monat stattfand. Immer am gleichen Ort. So konnten sich das Interessierte in ihren Kalender eintragen und mussten nicht erst herausfinden, wann denn der nächste WebMontag stattfindet und wo der denn diesmal ist.
Zu jedem WebMontag sind neue Leute gekommen. Ich glaube, es hat nur einen WebMontag in den ganzen 12 Jahren gegeben, bei dem ausschließlich Wiederholungstäter dabei waren. Wir haben deswegen immer eine Vorstellungsrunde gemacht. Der Sinn des WebMontags ist es, dass sich Web-Enthusiast.innen aus Kiel und Umgebung kennenlernen und wissen, was die so tun. Networking. Also müssen alle die Namen von allen kennen und in etwa wissen, für welchen Bereich die brennen.
Bei der Google Maps Community habe ich von Anfang an versucht, jede Frage zu beantworten – selbst wenn ich nicht 100 Prozent die Antwort wusste, wollte ich zumindest immer einen Fingerzeig geben. Niemand sollte enttäuscht werden. So haben wir das auch bei der Zikula-Community gehandhabt. Alle bekommen eine ordentliche Antwort. Dafür haben sich mehrere Personen verantwortlich gefühlt.
Vereine als Organsiationsform machen es einfacher, wenn man mit Geld umgehen will oder muss. Beim WebMontag brauchen wir kein Geld, weil die Starterkitchen uns den Raum zur Verfügung stellt und Sponsoren die Rechnung für die Suppe übernehmen. Gleichzeitig ist es unpraktisch, kein Geld zu haben, wenn man zum Beispiel mal jemanden zu einem Vortrag einladen will, der Fahrtkosten erstattet und ein Honorar will. Vereine sind dazu verpflichtet, transparent mit dem Geld der Mitglieder umzugehen. So kann nie der Eindruck entstehen, dass sich jemand auf Kosten der anderen bereichert.
Der Vorläufer des Fördeflüsterers war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), für die bis zu 5 Leute eingetragen waren. Die hatten das Geld, das die Seite mit Werbung verdiente. Es gab aber einen Kreis von bestimmt 25 Leute, die ehrenamtlich Artikel für das Magazin schrieben. Da tauchte durchaus immer mal wieder die Frage auf, was eigentlich mit dem Geld passiert.
Schwierig war auch, dass die Mitglieder der GbR Studenten waren, die immer mal wechselten. Das war organisatorisch aufwendig. Und die sich auch immer mit einem Teil der Kasse abgedampft – weil ihnen ja ein Teil der Firma gehörte. Bei einem Verein kann man dann einfach jemanden in den Vorstand nachwählen und die Vereinskasse bleibt die Vereinskasse. Die Satzung regelt viele Fragen und Zuständigkeiten.
Lass andere Raum
Die Community-Mitglieder sind alle aus eigener Motivation dabei. Die gilt es zu erhalten. Deine Community lebt davon, dass alle sich einbringen und selbstverwirklichen können. Deine reiche Organisation kannst Du zur One-Man-Show machen – bei einer Community geht das nicht. Ohne alle die Leute, die den WebMontag unterstützt haben, gebe es ihn nicht. Ich hoffe, dass ich den WebMontag nicht dominiere.
Bei einer Community hat man in der Regel eine Normalverteilung von Engagement. Zum WebMontag kommen einige Leute sehr selten, viele kommen regelmäßig und ein paar kümmern sich um die Organisation. Bei der Zikula-Community haben einige Leute sehr viele Fragen beantwortet, einige manchmal, bei speziellen Themen und einige fast nie.
Wenn sich abzeichnet, dass Leute viel tun wollen, sollte man sie machen lassen, sofern es geht. Es gab zu Anfang zwei deutsche Postnuke-Communities. In der einen dominierte der Betreiber. Alles hatte so zu laufen, wie er es für richtig hielt. Niemand bekam Administrationsrechte. Das fanden engagierte Leute so blöd, dass sie eine zweite Community aufgebaut haben. Das ist die Community, die es auch heute noch gibt.
Regel sind gut – sie zu brechen auch
Wie gesagt: Es ist gut, wenn Deine Community verlässlich ist und die Leute wissen, auf was sie sich einlassen. Es ist aber auch gut, wenn man die Regeln bricht oder verändert, wenn es hilfreich sein könnte. Beim WebMontag sind die Sessions eigentlich nur 12 Minuten lang. Dafür gibt es immer mehrere davon. Zur Digitalen Woche 2017 haben wird uns einen speziellen Gast eingeladen und den ganzen Abend über nur ein Thema diskutiert. In der Mailbox haben wir irgendwann nicht nur Public Domain ausgetauscht, sondern auch Spielstände und Demos für kommerzielle Spiele. In der Google Maps Community konnte man auch generelle JavaScript-Fragen beantwortet bekommen.
Die Communities ist dadurch nicht ausgefranst und niemand wusste mehr, um was es der Community geht. Stattdessen haben wir sie den Bedürfnissen der Community angepasst.
Online = Offline
Online-Communities entstehen da leicht, wo es schon Offline-Communities gibt. Ich arbeite bei der SPD. Jede halbwegs große SPD-Gliederung hat auch eine Facebook-Gruppe, einen WhatsApp-Chat, einen Slack oder was auch immer. Die Leute finden sich für so etwas immer sehr leicht zusammen.
Andersrum gilt das aber auch. Ich habe bisher keine Online-Community kennengelernt, bei der nicht irgendwann die Frage nach einem „Usertreffen“ aufkam. Bei der Mailbox haben wir uns alle paar Monate beim Griechen getroffen. Für mich als Jugendlichen war das immer ein relativ teures Treffen – aber trotzdem total spannend, wie diese Leute sind, die man nur als Online-Persona kennt. Ich habe mir sagen lassen, dass es Teile der World-of-WarCraft-Community gibt, die das Rollenspiel tatsächlich so ernst nehmen, dass sie das nicht mit der Realität vermischen wollen.
Bei der Postnuke-Community fanden irgendwann zwei Benutzer heraus, dass sie nur 50km voneinander entfernt wohnten, verabredeten sich zu einem Grillen und fragten, wer sonst noch in der Nähe wohnt und vorbei kommen will. Ich bin dann von Kiel nach Leonberg gefahren, um dabei zu sein. Im zweiten Jahr kam jemand aus England und aus Dänemark dazu.
Also ich die Google Maps Community eingerichtet habe, stand in meinem ersten Post: „Wann machen wir ein Usertreffen“ und die erste Antwort war: „Ich bin dabei“. Es ist dann nie dazu gekommen, weil Google sich dann irgendwann selbst darum gekümmert hat, dass es eine Community auf Google Group gibt. Für mich war das Thema irgendwann abgehakt und so habe ich die Website wieder eingestellt. Mir hat die Community aber geholfen, die Google Maps API soweit zu verstehen, dass ich dann meine Examensarbeit dazu schreiben konnte.
Pack an!
Wenn Du zu einer Community gehörst, versuch ein aktives Mitglied zu sein. Die Community ist auf Dich angewiesen, all das zu tun, für was reiche Communities Leute bezahlen können. Hier und da mal etwas Nettes über die Community zu twittern, dürfte immer drin sein. Frag andere, ob sie sich nicht auch für die Community interessieren und nimm sie mit.
Der WebMontag lebt von Mund-Propaganda. Ganz zu Anfang sind Leute gekommen, weil ein fleißiges Community-Mitglied den WebMontag immer für den Veranstaltungskalender der Kieler Nachrichten gemeldet hat. Einer ist sogar mal gekommen, weil es ein Veranstaltungstipp im Offenen Kanal war. Alle sind dabei, weil es ihnen jemand erzählt hat. Jeder Retweet der Einladung hilft, die Community bekannter zu machen.
Eine Community aufzubauen, ist ein wenig, wie einen Garten zu pflegen: Man setzt einen Samen. Man kümmert sich darum, dass er gegossen und gedüngt wird. Man sieht, wie die die Pflanze wächst und gibt ihr eine Rankhilfe, wenn sie größer wird. Wenn der Samen auf fruchtbaren Boden fällt, kann man sich an der üppigen Pracht erfreuen. Es gibt einjährige Pflanzen – nicht jede Community funktioniert für immer. Und es gibt mehrjährige Pflanzen, genauso wie es Vereine mit sehr alten Traditionen gibt. Das kann auch Dir gelingen.
Was sind Deine Erfahrungen mit Communities? Hast Du selbst noch ein paar Tipps? Ich freue mich über Hinweise in den Kommentaren.
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