Von keinem Autor habe ich mehr gelesen als von Paul Auster. Ein neues Buch von ihm war wie die Rückkehr nach Hause. Jetzt ist er im Alter von 77 Jahren gestorben.
Ich weiß gar nicht mehr genau, welche Buch ich von Paul Auster als erstes gelesen habe. Ich glaube, es war „Buch der Illusionen“. Eine unglaubliche Geschichte voller Geschichten. Ein Professor verliert beim einem Unfall seine Familie. In seiner Trauer beginnt er, sich mit einem Stummfilm-Schauspieler zu beschäftigen, der unter mysteriösen Umständen verschwunden ist. Paul Auster beschreibt die Filme, als ob es sie wirklich gegeben hätte.
Ich mag diese verschlungenen Erzählungen, in die man in seinen Büchern immer tiefer Abtaucht, bis man am Ende feststellt, dass die Figuren ihre wichtigsten Fragen nie beantwortet bekommen – und dass das irgendwie hoffnungslos und tröstend ist. Mir hat das geholfen, zu akzeptieren, dass ich nie erfahren werde, warum ich vor ein paar Jahren mit dem Fahrrad hingefallen bin. Ich fuhr um die Kurve. Plötzlich lag ich auf der Straße. Da war nichts. Ich weiß einfach nicht, was da passiert ist. Aber so läuft vieles im Leben. Für manche Dinge wird man nie den Grund erfahren.
Paul Auster hat einmal über seine Bücher gesagt, dass jedes Buch die vielen Facetten seiner Persönlichkeit zeigen. Das merkt man bei Lesen. Immer wieder gibt es Figuren, die irgendwie mit seinem Namen spielen, oder die Schriftsteller sind. Einige Elemente (New York, Rote Notizbücher) tauchen immer wieder auf und man freut sich, sie zu entdecken – wie einen alten Bekannten, den man wieder trifft.
Und dann ist dieser großartige Autor auch noch mit einer großartigen Autorin verheiratet! Siri Hustvedt! „Was ich liebte“ – wie großartig! Und dann läuft dieses gleichermaßen grandiose Schriftsteller-Paar da in New York herum, und schreibt wunderbare Bücher über New York! Ich fand das extrem faszinierend. Wie in einem Woody Allen Film.
Mir haben die ersten Bücher von Paul Auster so gefallen, dass ich in meinem Anglistik-Studium meinen Prüfer gefragt habe, ob ich mich auch dazu prüfen lassen kann, obwohl ich zu Paul Auster nie ein Seminar mitgemacht habe. Das ginge, sagte er und auf die Frage, ob er Tipps habe, konnte er mir überraschend schnell sagen, dieses Buch sollte ich lesen und jenen Aufsatz und dann sei da ja noch seine Doktorarbeit.
Ich werde nie erfahren, ob er dachte, dass ich gewusste habe, dass das sein Thema ist. Ich wusste es nicht. Es war einer dieser unwahrscheinlichen Zufälle, die auch bei Paul Auster immer wieder eine Rolle spielen. Mir hat dieser Zufall Glück gebracht. Ich habe mich tief in die Gedankenwelt von Paul Auster eingearbeitet, das hat echt Spaß gemacht, war mega interessant und die Prüfung lief ziemlich gut, wenn ich mich recht erinnere.
Die späteren Werke fand ich dann nicht mehr ganz so zugänglich. „4321“ ist einfach hammer-lang. Ich habe es hier angefangen herumstehen. Ich will das irgendwann mal zu Ende Lesen. Aber ich werde dafür Jahre brauchen und in der Zeit nichts anderes lesen können.
Paul Auster hat 17 Romane geschrieben. Dazu Sachbücher, Artikel, Gedichte, Theaterstücke und Drehbücher. Die Filme „Smoke“ und „Blue in the Face“ habe ich geliebt! Vor zwei Jahren wurde bei Paul Auster Lungenkrebs festgestellt. Am 30. April ist er daran gestorben.
Wirklich traurig gemacht hat mich, dass Siri Hustvedt nach dem Tod ihres Mannes keine Zeit gelassen wurde, um selbst Freunde und Bekannte zu informieren. Die Medien haben berichtet, als der Leichnam noch nicht abgeholt war. So funktionieren unsere Medien inzwischen.
Links
- Wikipedia: Paul Auster
- arte.tv: Paul Auster – Was wäre wenn
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