Das 9‑Euro-Ticket ist ein unglaublicher Freiheitsgewinn. Ich habe es mir gekauft, ohne zu wissen, wie oft ich es nutzen würde. Aber allein zu wissen, dass ich jederzeit überall hin fahren könnte, ist großartig. Das ist das Gefühl, das Auto-Eigentümer auch immer haben.
Zur re:publica war ich in der Berlin. Normalweise überlege ich mir dann immer, welches Ticket sich lohnt. Tagesticket? Oder genügen zwei Einzelfahrten? Bin ich noch in der richtigen Tarifzone? War Berlin die Stadt in der man die Tickets noch stempeln muss? In den Zügen oder am Bahnsteig?
In diesem Jahr musste ich mir das überhaupt nicht überlegen. Ich konnte einfach in einen Zug einsteigen und losfahren. Hin, zurück – noch einmal nach Mitte, um da etwas zu essen. Gar kein Problem. Dank 9‑Euro-Ticket.
Ein voller Erfolg
Allein im Juni wurden in Deutschland etwa 21 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Das Ticket war ein voller Erfolg, der sich auch in volleren Bahnen zeigte und am überlasteten Personal bei der Bahn.
Nun läuft das Angebot Ende August aus und es gibt noch keine Pläne für eine Verlängerung. Eigentlich sollte das Ticket die Menschen unterstützen, die gerade unter den steigenden Preisen leiden. Die Preise sind nicht gesunken. Die Löhne noch nicht gestiegen. Warum sollte man es nicht verlängern – außer, dass das natürlich irgendwie bezahlt werden muss.
50 % der Neuwagen sind steuerlich geförderte Dienstwagen. Die meisten Leute bekommen dazu eine Tankkarte und sie können herumgondeln, so viel sie wollen. Das spart sicherlich keinen einzigen Auto-Kilometer ein. Wenn man sieht, mit wie viel Geld der Autoverkehr billig gehalten wird, dann dürfte es kein Problem sein, auch etwas für Menschen zu tun, die den ÖPNV nutzen.
Wie könnte es weiter gehen?
Bisher gibt es verschiedene Verschläge, wie das 9‑Euro-Ticket fortgeführt werden könnte. Entweder genau so weiter als 9‑Euro-Ticket für den gesamten ÖPNV in Deutschland. Oder gestaffelt: 9 € für den jeweiligen Stadtverkehr, 29 € für den Tarifverbund und 69 € für den gesamten Bereich, wie es der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) vorschlägt. Oder als 365-€-Ticket für alles, wie es der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer und einige seiner Kollegen vorschlagen.
Für mich wäre alles, was wesentlich teurer als das heutige 9‑Euro-Ticket ist, keine echte Alternative. Vielleicht würde ich das 9‑Euro-Ticket für den Stadtverkehr kaufen, ohne genau zu wissen, wie oft ich es nutze. Aber ich befürchte, dass es sich nicht wirklich lohnt. In Kiel ist man einfach mit dem Fahrrad schon überall in maximal einer halben Stunde.
9 €, 29 € ja – 69 € nein
29 € für ganz Schleswig-Holstein würde ich nur bei Bedarf kaufen. Das lohnt sich schon bei einer Fahrt nach Hamburg oder nach Heide und zurück. Aber 69 € für ganz Deutschland werde ich nie nutzen. So viel kann ich gar nicht Bus und Bahn fahren. Der Preis lohnt sich nur für Menschen, für die sich derzeit schon das Kieler Monatsticket lohnt. Da sind das nur einige Euro extra.
365-€-Ticket – vielleicht
Ein 365 €-Ticket würde ich mir nur vielleicht kaufen. Ich gebe derzeit keine 365 € für Bus und Bahn im Jahr aus. Aber es wäre natürlich verlockend, unkompliziert einfach einsteigen zu können. Allerdings sind 365 € auch nicht so ganz wenig.
Vielleicht wäre das eine Investition in meine Mobilität, die ich machen würden. Charmant am 9‑Euro-Ticket ist aber, dass es sich auch Menschen in Grundsicherung leisten können. Ein Ticket für alle Menschen. Beim 365-Euro-Ticket müsste man schon wieder Sonderregelungen erfinden, um es für diese Gruppe zu subventionieren. Echte Teilhabe würde aber bedeuten, dass es sich jeder Menschen einfach so leisten könnte.
Die spontane Idee eines 9‑Euro-Tickets zur vorübergehenden Entlastung der Menschen, hat eine großartige Diskussion über Mobilität ausgelöst. Nicht nur über Preise, sondern auch über Art und Umfang des Angebots – in den Städten und auf dem Land. Ich bin gespannt, wie es jetzt weiter geht.
Ergänzung 6.8.2022: Das 9‑Euro-Ticket sorgt derzeit dafür, dass wesentlich mehr Menschen Busse und Bahnen nutzen. Das macht es gerade sehr anstrengend für alle, die in diesem Bereich arbeiten. Da wird deutlich, dass man es in den letzten Jahrzehnten verpennt hat, ein ordentliches ÖPNV-System aufzubauen.
Es war einfacher, wenn alle überall mit dem Auto hinfahren. Aber das wird jetzt immer teurer, und es lohnt sich, wenn mehr Leute gemeinsam fahren. Man muss nicht einmal komplett auf das Auto verzichten. Aber viele Leute können Strecken wie zur Arbeit oder zur Schule jeden Tag gemeinsam im Bus oder in der Bahn fahren und es ist für alle günstiger. Aber man muss genügend Busse haben, die Fahrerinnen und Fahrer ordentlich bezahlen und natürlich immer freundlich bleiben.
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