Ich frage mich, warum einige, die sich sonst für die digitale Avantgarde halten, gerade zum neuen Projekt Bluesky wechseln. Das Projekt gehört dem Twitter-Gründer Jack Dorsey und seinen Investoren. Der hat Twitter einst relativ offen gegründet hat und Mauern hochgezogen, als er anfangen musste Geld zu verdienen. Warum sollte es diesmal anders laufen?
„Bluesky ist das Social Network der Stunde. In der vergangenen Woche gab es einen massiven Nutzer:innen-Exodus von Twitter in Richtung des blauen Himmels. Das habe ich so bisher noch nicht erlebt. Aber ich habe dennoch leider wenig Hoffnung, dass sich dadurch etwas zum Besseren ändert,“ schreibt Markus Beckedahl bei netzpolitik.org. Er weist darauf hin, dass auch hinter Bluesky inzwischen Venture-Capital-Finanzierung steckt und damit der Druck wächst, kommerziell erfolgreich zu sein. „Die weitere Entwicklung ist damit – das zeigt die Geschichte – absehbar.“
Alle großen sozialen Netzwerke der letzten Jahrzehnte gehörten Tech-Oligarchen, die erst sehr offen gestartet sind, damit die Leute einfach zu ihnen „umziehen“ können. Als die Leute mit all ihren Kontakten dort waren, haben sie die Regeln geändert, damit es für die Geschäftskunden attraktiver ist. Inzwischen verändern sie die Regeln erneut, um auch aus den Geschäftskunden mehr Geld herauszuquetschen, die inzwischen abhängig sind von den Werbemöglichkeiten auf den sozialen Netzwerken. Cory Doctorow nennt das „Enshittification“.
Unser Netzwerk, unsere Regeln
Die Enttäuschungen und Skandale rund um Big Tech haben gezeigt, dass die Kontrolle über soziale Medien in den Händen weniger Milliardäre zu Missbrauch und gesellschaftlicher Spaltung führt. Das Fediverse bietet eine dezentrale Alternative, bei der die Gemeinschaft die Regeln festlegt. Alle können selbst einen Server betreiben und eigenen Community-Richtlinien aufstellen, ohne dass die von einer zentralen Autorität diktiert werden. Diese Vielfalt ermöglicht es, verschiedene Meinungen und Ideen zu fördern, ohne Angst vor willkürlichen Regeln.
Gerade hat das FediForum stattgefunden, bei dem eine ganze Menge normaler, engagierter Leute über die Zukunft unseres Fediverse diskutiert haben. Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe diskutieren miteinander, wie es weitergehen soll. Ich mag das.
Innovation und Vielfalt
Bluesky mag von einem Tech-Bro gegründet worden sein, der das Kapital des Silicon Valley hinter sich hat, aber das Fediverse besteht aus einer Vielzahl von Entwicklern und Communities, die ständig neue Ideen und Innovationen einbringen. Die dezentrale Natur des Fediverse ermöglicht es, verschiedene Plattformen (bspw. Pixelfed) und Anwendungen zu entwickeln, die speziell auf die Bedürfnisse und Interessen der Benutzer*innen zugeschnitten sind. Diese Vielfalt fördert die Innovation und bietet den Benutzer*innen eine breite Palette von Optionen, um ihre Online-Erfahrung zu personalisieren.
Gemeinschaft und Solidarität
Das Fediverse lebt von der Zusammenarbeit und Solidarität seiner Benutzerschaft. Es ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich für ein offeneres und gerechteres Internet einsetzen. Im Gegensatz zu den Profitmotiven globaler Tech-Konzerne steht die gemeinsame Vision im Vordergrund. Die Benutzer*innen des Fediverse teilen Ressourcen, Wissen und Ideen, um das Netzwerk zu verbessern und sicherzustellen, dass es den Bedürfnissen seiner Nutzer gerecht wird.
Gemeinsam können wir eine Internetlandschaft schaffen, die auf Vielfalt, Innovation und Solidarität basiert. Es ist an der Zeit, die Kontrolle zurückzuholen und das Fediverse zu einer Plattform zu machen, die wirklich unseren Bedürfnissen entspricht.
Links
- The Intercept: Is Bluesky Billionaire-Proof?
- Netzpolitik.org: Warum Bluesky gerade durch die Decke geht – und was Mastodon daraus lernen kann
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