Schaffen wir es noch Google, Facebook und Co. in den Griff zu bekommen, oder bekommen die Tech-Konzerne uns in den Griff? Die Harvard-Professorin Shoshana Zuboff hat mit „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ eine umfangreiche Analyse der Situation vorgelegt.
In den frühen Tages des World Wide Webs gab es die verbreitete Hoffnung, dass diese Netz die Welt demokratischer macht. Es wurde damals viel über die Digitale Allmende gesprochen. Jeder Mensch konnte dank des Internets zum Verleger werden.
Zu dieser Zeit war Google eine niedliche Firma mit einer guten Suchmaschine und dem Motto „Don’t be Evil“. Dann platzte die Dotcom-Blase und Google war dringend gezwungen, Geld zu verdienen. Reklame spielte im Unternehmen eine geringe Rolle und die Google-Gründer mochten sie nicht einmal besonders.
Dann aber zählten sie zusammen, was sie hatten, um daraus Geld zu machen: Bei jeder Suche fielen Daten an, die die User hinterlassen. Wenn man ihre Interessen kennt, kann man ihnen gezieltere Werbung anzeigen. Wenn die Werbung gezielter ist, verdienen die Kunden besser und sie schalten noch mehr Werbung. Damit begann die große Daten-Sammelei.
Shoshana Zuboff erklärt das zugrunde liegende Muster: Der Kapitalismus sucht sich immer neue Bereiche die er sich aneignen kann. Karl Marx beklagte seinerzeit über die „ursprüngliche Akkumulation“ – also den Vorgang, in dem sich Kapitalisten Land angeeignet haben, um es dann für sich exklusiv zu nutzen.
Hannah Arendt erkannte, dass sich diese Akkumulation wiederholt. Diesmal sind es aber nicht Land oder Rohstoffe, sondern das Verhalten von Dir und mir. Überwachungskapitalisten sammeln alles, was sie über unser individuelles Verhalten herausfinden können, um dieses Wissen dann als Basis für gezielte Reklame an Kunden zu vermieten. Der Rohstoff dieser Branche ist unsere Privatsphäre.
Die Branche ist dabei eng verknüpft mit dem Überwachungsstaat, der sich zeitgleich nach den Terroranschlag vom 11. September 2001 entwickelte. Immer wieder gibt es Kooperationen zwischen den Unternehmen und den Geheimdiensten.
Mittlerweile hat sich das Internet stark verändert. Zwar habe ich ein Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung. Es fühlt sich aber nicht so an. Obwohl ich mich gut mit der Technologie auskenn, habe ich nicht mehr das Gefühl von Selbstbestimmung. Ich habe das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Inzwischen betreibe ich schon einen extra Mini-Computer, der mich vor Überwachung schützen soll – eine Art Anti-Internet-Filter. Mehrere Plugins im Browser kümmern sich um das, was noch durch kommt.
Trotzdem bin ich sicher, dass mich dutzende Unternehmen tracken, von denen ich noch nicht einmal weiß. Sogar der Journalismus – eine der Branchen, die eigentlich vor so etwas warnen sollte – spielt im Überwachungsgeschäft ganz groß mit. Die Freiheit im Internet ist, was am Ende aller Nutzungsbedingungen übrig bleibt. Wir haben einen digitalen Schatten, den wir nicht kontrollieren können.
Shoshana Zuboff macht klar, dass das Problem nicht die digitale Technologie ist. Die kann es auch ohne Überwachungskapitalismus geben. Das Problem sind auch nicht individuelle Daten-Skandale – nach denen die Unternehmen reumütig Besserung geloben und dann doch nichts substantiell ändern. Das Problem ist die Systematik des Überwachungskapitalismus: Die vollständige Verwertung des Menschen als Rohstoff für die Werbe-Branche. Erst wenn wir das erkannt haben, sagt Shoshana Zuboff, können wir etwas daran ändern.
„Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ hat 727 Seiten, ist im Campus-Verlag erschienen und kostet 29,95 €.
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Links
- Deutschlandfunk Kultur: „Überwachungskapitalismus“ steuert das Verhalten
- APUZ: Überwachungskapitalismus
- FAZ: Wie wir Googles Sklaven wurden
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