An Google und Facebook kommt heute niemand mehr vorbei, der im World Wide Web (WWW) veröffentlicht. Diese Zentralisierung verändert das gesamte Web, samt seiner Inhalte – und vielleicht sogar unsere Gesellschaft.
Vorwort
Zu dem Titelbild: Wenn ich mich mit dem Thema eCommerce beschäftigen würde, wäre da ein dicker Amazon-Planet. Wenn es mir um Online-Spiele ginge, dann wäre da ein großer Steam-Planet. Bei Messengern wäre da die zwei große Planeten von Facebook Messenger und WhatsApp. Mir geht es um das Web als Teil des Internets und als Infrastruktur.

Google ist auf Platz 1 und Platz 2 der meistgenutzten Websites in Deutschland Facebook ist auf Platz 4. Das wäre überhaupt nicht bemerkenswert, wenn das reine Inhaltsseiten wären. Spiegel-Online auf der 1 und Zeit.de auf der 4 wären ein anderes Thema.
Die meisten Websites bekommen einen Großteil ihrer Besucher nicht direkt – die wenigsten benutzen Bookmarks oder tippen den Domainnamen in die Browserzeile. Den Großteil der Besucher kommt von anderen Seiten. In den USA bekamen 2017 Websiten 40 Prozent ihres Traffics von Facebook und 37 Prozent von Google – beim Thema Politik kommen sogar 59 Prozent von Facebook und 25 Prozent von Google.
Wer nicht potentiell auf 75–90 Prozent des Traffics verzichten kann, muss sich um Suchmaschinen-Optimierung (SEO) und Social-Media-Optimierung (SMO) kümmern. In der Praxis heißt das Google-Optimierung und Facebook-Optimierung.
Warum ist das so?

Facebook und Google haben immer schon ein gutes Angebot gemacht. Googles Suche war viel besser als die von Yahoo und Facebook funktionierte zuverlässig, als MySpace von einem Skandal nach dem anderen erschüttert wurde. Die Markttransparenz im Internet sorgt dafür, dass die Konkurrenz immer nur einen Klick entfernt ist. Den besten Optiker in der Stadt zu finden, ist eine aufwendige Sache – die beste Suchmaschine zu finden, ist eine Sache von ein paar Tests.
Auch das beste Soziale Netzwerk zu finden ist einfach: Man geht dahin, wo schon die Freunde sind. Ein Netzwerk mit wenigen Kontakten ist langweilig. Eines mit vielen Kontakten ist super. Das nennt man den Netzwerkeffekt. Teil des Netzwerkeffekts ist, dass es dann schwierig ist zu wechseln, wenn viele Kontakte in einem Netzwerk sind. Wer schon einmal probiert hat, Leuten auch nur nahezulegen, neben WhatsApp noch einen anderen Messenger zu installieren, weiß was ich meine. Das ist der Lock-in-Effekt.
Das Highlander-Prinzip: Es kann nur einen geben
Des weiteren gibt es in der Marktwirtschaft immer eine natürliche Tendenz zu Monopolen: Schwächeren Firmen schließen. Die anderen übernehmen deren Kunden und werden dadurch stärker. Die Starken kaufen die Schwachen auf, bevor sie echte Konkurrenz werden können.
Unternehmen vermeiden Konkurrenz. Erst wenn die Konkurrenz ausgeschaltet ist und die Kunden keine Wahl mehr haben, verdient es sich so richtig gut.
„Im Lieferdienst-Geschäft werden Sie nur dann hohe Profite einfahren, wenn Sie den Markt beherrschen – also ganz klar die Nummer eins sind. Als Nummer zwei verdienen Sie fast gar nichts.“ – Jitse Groen, Lieferando
Normalerweise kümmert sich die Marktaufsicht darum, dass keine Monopole entstehen. Um Facebook und Google kümmert sich bislang niemand.
Wie verdienen Google und Facebook ihr Geld?

Da das Geld nicht von den Nutzer.innen kommt, sollte man sich anschauen, woher Google und Facebook ihr Geld bekommen, um ihre Motivation zu verstehen.
Facebook und Google sind zwei riesige Werbe-Netzwerke. Gegen Geld stellen Sie Unternehmen, Organisation und der Politik eine Infrastruktur zur Verfügung, über die sie potentielle Kunden mit Werbung erreichen können.
Die Werbekunden sind daran interessiert, möglichst wenig Geld zu verschwenden. Deswegen wollen sie, dass ihre Werbung möglichst genau an potentielle Kunden ausgespielt werden. Das war noch nie anders. Schon Fernsehwerbung wurde so gebucht, dass sie zur Sendung passt. Mathias Richel erklärt das in seinem Podcast zum Cambridge Analytica Skandal sehr gut.
Google und Facebook versuchen möglichst viel über die Nutzerschaft herauszufinden, damit die Rasenmäherwerbung möglichst nur die Leute erreicht, die aktuell einen Rasenmäher kaufen wollen.
Wie erklärt, stehen Facebook und Google miteinander in einem harten Wettbewerb miteinander – wenn die Kunden feststellen würden, dass einer wesentlich besser als der andere wäre, dann könnte das Geschäftsmodell des anderen zusammenbrechen. Deswegen müssen beide immer besser herausfinden, was die Nutzer.innen wollen könnten.
Der Druck ist enorm
Beide Konzerne sind zum Wachstum verdammt. Als Facebook vor kurzem verkünden musste, dass im letzten Quartal rund 1 Prozent weniger Nutzer.innen in Europa auf der Plattform aktiv waren, ist die Aktie um 19 Prozent gefallen. Binnen Stunden verlor Facebook 119 Millarden Dollar an Wert. Noch nie hat ein Unternehmen in so kurzer Zeit so viel Wert verloren. Selbst Mark Zuckerberg hat dabei so viel Geld verloren, dass er in der Liste der reichsten Menschen von Platz drei auf Platz sechs fiel.
Maximierung der Nutzer-Interaktionen

Facebook und Google müssen die Nutzerinnen und Nutzer dazu bringen, möglichst viel Zeit mit ihren Produkten zu verbringen, um über die Interaktionen preiszugeben, was für Werbung sie interessieren könnte.
Facebook bietet immer spannende Inhalte
Kannst Du Dich noch an die alte Timeline von Facebook erinnern? Als da tatsächlich noch chronologisch die Beiträge von allen Deinen Freunden reingeflossen sind? Da war wirklich viel blöder Scheiß dabei. Allein diese ganzen Farmville-Meldungen. Die konnte man dann zumindest irgendwann ausblenden.
Inzwischen hat Facebook eine Timeline, die merkt, dass Du Farmville scheiße findest und zeigt Dir das nicht mehr an. Stattdessen werden Dir bevorzugt die Dinge angezeigt, die Dich interessieren könnten – viel es Deinen bisherigen Interaktionen entspricht, oder weil Deine Freunde damit stärker interagieren. Immer nach dem Motto: Willst Du vielleicht hiermit interagieren? Oder hiermit?
Auf meiner Grafik sieht es so aus, als würden den Nutzern die Daten abgemolken. Das bedeutet, dass Facebook uns eine spannende Version der Inhalte anzeigt, die bei Facebook geteilt werden, damit wir viel damit interagieren. Es ist schon so, dass da ein fesselndes Produkt dabei herauskommt.
Jedes Mal, wenn wir eine Benachrichtigung anklicken oder die Timeline aktualisieren, ist es ein kleines Glücksspiel: Vielleicht sind ein paar nette Likes dabei, oder nur die eine Freundschaftsanfrage von jemanden, den ich nicht mag – vielleicht sogar einen blöden Kommentar. Aber so lange immer wieder genügend gute Erlebnisse dabei sind, bleiben wir dran und vervollständigen das Bild, dass Facebook von uns benötigt, um die Werbekunden glücklich zu machen.
Weil irgendwann die Daten aus Facebook nicht mehr genügten, hat Facebook ermöglicht, den Like-Button, Kommentare und Login auf anderen Seiten zu nutzen. Klar – das ist eine super-praktische Funktion für die Leute, die sie nutzen. Es sorgt aber dafür, dass Facebook auf allen möglichen Internetseiten integriert ist und dort schaut, wer sich für welche Inhalte interessiert.
Das funktioniert inzwischen so gut, dass eine zeitlang das Gerücht kursierte, dass Facebook seine Nutzer per Smartphone durchgehend belauscht und auf Basis von Offline-Gesprächen Reklame schalten lassen kann. Auch wenn Facebook das nicht macht, zeigt es wie viel Daten Facebook mittlerweile angesammelt hat.
Google bietet seine eigene Technologie-Welt
Für Google ist es nicht so offensichtlich – Googles Soziales Netzwerk Google+ führt ein Nischen-Leben. Dafür bietet Google einen ganzen Strauß von Tools für alle digitalen Lebenslagen: Vom Smartphone über den Browser, Analysetools für Webseiten, Google Mail, Youtube, Kalender oder auch AMP – eine Webtechnologie mit der auf der einen Seite Websiten ultra-schnell werden, die aber dann auch Nutzerdaten an Google übertragen. Wer nach Nachrichten-Themen bei Google sucht, bekommt solche Seiten bevorzugt angezeigt. Google hat ein ganzes Ökosystem geschaffen, in dem die Nutzer ihre Daten preisgeben, damit Google zielgenauere Werbung anbieten kann.
Gute Inhalte sind gut für Facebook und Google und die Leserschaft
Gute Inhalte sind für Facebook Inhalte, die viele Interaktionen hervorrufen. Das sind in der Regel Inhalte, die starke Emotionen auslösen. Kätzchen? Super! Auch die Suchergebnisse von Google werden unter anderem danach sortiert, wie oft sie angeklickt werden. Wie sonst sollten Google und Facebook feststellen, was Leute interessiert, als über ihre Link-Klicks, Likes und Kommentare?
Dadurch müssen alle, die Traffic von Google oder Facebook bekommen wollen, dafür sorgen, dass ihre Inhalte im Sinne der Konzerne Interaktionen hervorrufen. Es setzen sich die Inhalte durch, die Aufreger sind. Entweder Artikel zu Aufreger-Themen oder die aufregendste Variante eines Themas.
Ein zweischneidiges Schwert
Natürlich ist es gut, Inhalte zu produzieren, die die Menschen interessieren und Themen so aufzubereiten, dass sie für die Menschen interessant sind. Medien mussten ihre Artikel immer schon interessant schreiben. Aber sie haben nicht bei jedem einzelnen Artikel mit allen anderen Medien der Welt konkurriert. Die Menschen hatten ihre Zeitung abonniert, solange diese insgesamt immer wieder interessant genug war. Jetzt müssen Journalist.innen testen, welche Überschrift am meisten Klicks bekommt. Sie müssen ihre Inhalte für Google und Facebook optimieren. Nur dann können Google, Facebook und das Medium selbst daran verdienen.
Leider lesen die meisten Menschen keine ganzen Artikel mehr, sondern nur die Überschrift und vielleicht noch den ersten Satz – danach überfliegen sie höchstens. Überschrift und Anreißer müssen knallen. Der Rest ist praktisch Füllmaterial für den Google-Crawler. Der dürfte einer der wenigen sein, der Artikel vollständig erfasst und auswertet. Das ist kein Phänomen, das direkt mit Facebook und Google zu tun hat. Aber mehr als die Überschrift und den ersten Satz findet man bei Facebook und Google auch nicht.
Erst lesen die Leute die größten Aufreger nur oberflächlich. Dann werden sie Teil einer Empörungswelle. Die wird dann wiederum Thema von Berichterstattung – weil das Thema auf Facebook gerade so gut läuft.
Immer wieder lese ich Forderungen, „die Politik“ solle doch endlich mal über bezahlbare Wohnungen, Bildung und Rente sprechen statt über Flüchtlinge – das tut sie. Aber diese Themen laufen halt nicht so gut auf Google und Facebook – oder nur dann, wenn es da etwas zum Aufregen gibt. Versucht doch mal einen Artikel über Familienpolitik auf Facebook zu teilen und beoachtet, wie viele Likes oder Kommentare es gibt. Teilt etwas über Flüchtlinge im Mittelmeer und vergleicht das.
Was nicht auf Facebook ist, gibt es nicht
Ich muss mit meinem Blog kein Geld verdienen und habe den Anspruch, „blogge, als würde es niemand lesen.“ Auch wenn ich mich nicht immer daran halte.
Wenn ich mir bei einem Thema nicht sicher bin, teile ich den Artikel nicht bei Twitter und Facebook. Ziemlich sicher stößt dann nie jemand drauf. Gerade wenn ich zu aktuellen Themen blogge, interessiert sich auch später niemand per Google dafür. Auf Google laufen nur langfristige Sachen für mich gut. Zum Beispiel Anleitungen zu technischen Themen.
Natürlich habe ich auch ein SEO-Plugin installiert, das mir Tipps gibt, wie dieser Artikel bei Google besser bewertet wird. Es hilft dabei, dass der Artikel bei Facebook gut aussieht. Ich weiß, dass der jetzige Titel dafür blöd ist. Für Google müsste ich mich entscheiden, zu welchem Schlagwort dieser Artikel relevant sein soll.
Es gibt Tools, die sagen einem, was zu bestimmten Schlagworten gesucht wird. Ich könnte mich dort inspirieren lassen. Vielleicht käme dann so eine Überschrift dabei raus „Warum sind Google und Facebook böse?“ Es gibt bestimmt genug Leute, die solche Fragen eintippen. Außerdem ist der Titel hinreichend krawallig, dass der auch auf Facebook zu Reaktionen führt. Ich seh schon die Kommentare der Leute, Kritik an den Konzernen mit Angst vor der Digitalisierung verwechseln, nur die Überschrift lesen und mir dann verbal einen drübergeben.
Aber darum geht es mir nicht. Ich brauch keine Interaktionen um jeden Preis. Ich kann es mir leisten, mein Blog nur für mich zu betreiben und hier einfach nur mal Gedanken auszubreiten.
In den letzten Wochen habe ich zunächst wenig gebloggt und dann meine neuen Artikel nie auf Twitter oder Facebook geteilt. Das Ergebnis: Im Juli kamen 96 Prozent der Besucher per Google.
Fazit
Google und Facebook dominieren derzeit das World Wide Web. Wer nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Netz arbeiten will, sollte sich an die Regeln von Google und Facebook halten. Wer mit dem Web Geld verdienen will muss sich daran halten.
Die zwei Konzerne formen damit auch, wie wir das World Wide Web wahrnehmen und wie wir öffentliche Debatten führen. Es gibt keine Online-Medien mehr, die von Google und Facebook unabhängig arbeiten können – denn die würde wir gar nicht wahrnehmen können und sie würden kein Geld verdienen. Dieser Single-Point of Failure macht es Angreifern leicht, Debatten zu kapern und dieses System für sich spielen zu lassen.
Links
- Heise online: RSS ist tot und das ist eine Schande
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