Falsche Straßenseite, verkehrt herum in der Einbahnstraße, rote Ampeln und drängeln in der Schlange davor – Drei Gründe, warum sich Radfahrer nie an die Verkehrsregeln halten.
Die Regeln sind nicht immer klar
Straßen wurden seit ca. 1950 für Autos optimiert. Alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen sich irgendwie darin einfügen – oder besser: unterordnen. Während die Regelungen für das Auto sehr intuitiv sind, ist es für bspw. Radfahrer ein einziges Durchwurschteln. Selbst wenn man sich an alle Regeln halten will, übersieht man irgendeines der winzigen Schilder für Radfahrer und landet plötzlich im Gegenverkehr.

Mal gibt es einen richtigen Radweg, dann wird man auf die Straße gelotst – mit und ohne „Schutzstreifen“, dann soll man auf die andere Straßenseite wechseln oder sich den Weg mit den Fußgängern teilen. Und alle 50 Meter kann sich das ändern, ohne dass man es mitbekommt oder es werden über Nacht neue Schilder aufgestellt und man weiß gar nicht mehr weiter.
Ich habe beispielsweise noch keine legale Möglichkeit gefunden, mit dem Fahrrad, aus der Adalbertstraße in Richtung Innenstadt zu fahren. Das hat die Stadtplanung einfach vergessen.
Autos werden bevorzugt

Für Radfahrer ist jede Ampel rot, weil die auf die Geschwindigkeit von Autos ausgelegt sind. Wenn man als Radfahrer links abbiegen will, hat man meisten zweimal rot an der gleichen Kreuzung. (Siehe unten: Sonderregeln für Radfahrende) Es ist nicht einmal Platz vorgesehen, auf dem man warten kann.
Egal, wo man mit dem Fahrrad steht, man steht dem anderen Verkehr im Weg. So als gebe es für Autos nur eine einzige Ampel in der Mitte der Kreuzung.
In den älteren Stadtteilen gibt es oft noch Kopfsteinpflaster-Straßen, die für Radfahrer echt unangenehm zu fahren sind. Oft weichen sie dann vorsichtig auf den Fußweg aus. Weil diese engen Kopfsteinpflaster-Straßen oft auch noch komplett mit Autos zugeparkt sind, ist auf dem Gehweg wenig Platz. Klar, führt das zu Konflikten.

Jede Bedarfsampel braucht ewig, bis sie sich irgendwann mal bequemt, auf grün zu springen. Bedarfsampeln sind nämlich nicht so geschaltet, dass sie den Bedarf des Drückenden bedienen, sondern den Bedarf der Autofahrer. Erst wenn alle durchgefahren sind, schaltet sie um. Das nennt sich „Grüne Welle“ – für Autos. Für alle anderen ist es rote Ebbe. Bei mir um die Ecke ist so eine Ampel, die die Kinder die „hundertjährige Ampel“ nennen.
Wenn man da wartet, fühlt man sich echt verarscht – genau wie bei den Ampeln, die man eigentlich nur braucht, weil es Autos gibt, die dann aber trotzdem rot für Fußgänger und Radfahrer sind, obwohl kein Auto weit und breit zu sehen ist. In Kiel ist das auf der Veloroute am Landeshaus immer so. Wie oft musste ich da schon als einziger Verkehrsteilnehmer weit und breit anhalten?
Dass sich da einige die Freiheit nehmen, um irgendwann mal ans Ziel zu kommen, muss man verstehen. So wie Autofahrer ihr Auto einfach irgendwo abstellen – egal, ob das legal ist oder nicht. „Stört ja keinen.“
Sonderregeln für Radfahrende
Als dritten Faktor gibt es Regeln, an die Radfahrer sich halten, die Autofahrer oft nicht kennen:
- In vielen Städten sind Einbahnstraßen für Radfahrer in beide Richtungen freigegeben. Wie oft haben mich schon Autofahrerinnen und ‑fahrer pikiert angeschaut, wenn ich ihnen in Einbahnstraßen entgegen gekommen bin? Einige geben sogar extra noch einmal Gas, um einem Angst zu machen.
Dabei gelten dann die gleichen Regeln, wie auf einer normalen Straße: Fahrräder sind hier nicht nur geduldet, sondern das Auto muss warten, wenn die vom Autofahrer gesehen rechte Seite zugeparkt und die Straße nur breit genug für ein Fahrzeug ist. - Wer Fahrrad fährt muss sich an die Autoampel halten, wenn auf der Fußgängerampel nicht auch ein Fahrrad-Symbol angezeigt wird. Die Fußgängerampel wird rot und der Radfahrer fährt rechtmäßig drüber, solange die Autoampel noch grün ist. Leute, die im Auto rechts abbiegen wollen, hupen dann gerne, wenn ein Radfahrer angeblich bei rot noch schon über die Kreuzung fährt.
- Wenn die Ampel rot ist, dürfen Radfahrer vorsichtig rechts vorbei nach ganz vorne fahren. Manchmal ist dafür sogar extra Platz vorgesehen. Vor dem Haltestreifen für die Autos dürfen sich dann Fahrräder sammeln. Auch das wissen Autofahrer in der Regel nicht und halten das für Schummelei. Stattdessen sollten sie damit rechnen und Platz lassen.
- Radfahrer müssen nicht so weit rechts fahren, wie es geht. Zum einen müssen sie natürlich einen Sicherheitsabstand zum Rinnstein haben und sie müssen mindestens einen Meter Abstand zu parkenden Autos halten – damit sie nicht in achtlos geöffnete Autotüren fahren.
- Man muss zwar einen vorhandenen Radweg nutzen, aber wenn der bspw. durch einen Falschparker blockiert ist oder in einem zu schlechten Zustand, dann darf man auch auf der Straße fahren. Ja, es gibt Radwege, die so puckelig und schmal sind, dass man lieber auf die Straße wechselt. Auf der Holtenauer Straße ist deswegen sogar schon seit Jahren die Benutzungspflicht für den 50cm breiten Radweg zwischen Dreiecksplatz und Knooperweg aufgehoben. Wenn nämlich kein Schild (Weißes Fahrrad auf blauem Grund) dort steht, kann man sich aussuchen, ob man auf der Straße oder dem Radweg fährt.
- Wenn Autos auch so überholen können, dürfen zwei Räder nebeneinander fahren. Nur dort, wo es zum Überholen und nebeneinander Fahren zu eng ist, müssen Radfahrer hintereinander fahren.
- In Fahrradstraßen haben Fahrräder Vorrang. Hier dürfen sie nebeneinander fahren, die Höchstgeschwindigkeit ist 30km/h. Autos dürfen überholen, sofern sie das bei 30km/h schaffen und 1,5m Abstand halten.
- Wenn man als Radfahrer an einer Kreuzung links abbiegen will und es gibt einen Radweg, muss man sich nicht auf der Straße einordnen. Man kann einfach auch bei grün geradeaus fahren und dann hinter der Kreuzung die Straße bei rot überqueren. Man muss natürlich auf den Verkehr Rücksicht nehmen – so wie man das als Linksabbieger im Auto auch macht. Für Autofahrer, die das beobachten und die StVO §9 (2) nicht kennen, sieht das aus, als ob der Radfahrer bei rot fährt.
Es gibt auch schlechte Radfahrer
Viele Autofahrer kennen die Verkehrsregeln in ihrer ganzen Breite nicht und würden durch die theoretische Prüfung fallen. So wie es viele schlechte Autofahrer gibt, gibt es auch viele schlechte Radfahrer. Die allermeisten Menschen fahren nicht ständig Rad und sind deswegen und auf Grund der oben genannten Gründe unsicher. Aber genau wie beim Auto, müssen wir bei Fahrrädern damit leben und uns an die Grundregel erinnern: Gegenseitige Rücksichtnahme.
StVO: Paragraf 1
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.
Insgesamt entsteht der Eindruck, Radfahrer halten sich nie an Regeln. Dabei sind es meisten Autofahrer, die zu schnell fahren, nicht blinken, keine Abstände einhalten und ihr Auto abstellen, wo es ihnen gerade am besten passt – ohne Rücksicht auf alle, die da auch noch vorbei müssen.
Gerade deswegen ist es wichtig, dass eine ordentliche Fahrrad-Infrastruktur entsteht. Dann kommen sich Autos und Radfahrer nicht mehr in die Quere. Das würde mich als Autofahrer freuen, weil ich zu denen gehöre, die ungerne Radfahrer anfahren und weil ich zu den Radfahrern gehöre, die ungerne von Autos angefahren werden.
Video
Laura Fritsche hat auf dem RC3 einige Regeln der Straßenverkehrsordnung erklärt – nicht nur für Radfahrerinnen und Radfahrer.
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