Ich fand Twitter stark, weil man dort den direkten Draht zu vielen anderweitig unerreichbaren Menschen haben kann. Selbst wenn die deutsche Twitterblase tatsächlich hauptsächlich aus Politikern, Journalisten und Psychopathen, wie es Dorothee Bär mal formuliert hat. In letzter Zeit ist mir aber genau das auf den Senkel gegangen.
- Irgendwer sagt irgendwas in einem Interview.
- Ein Social-Media-Redakteur sucht sich das brisanteste Thema aus dem Interview und spitzt es für Twitter zu.
- Einige, die sich immer aufregen, regen sich auf.
- Die Medien greifen die Aufregung auf und schreiben Artikel zu der großen gesellschaftlichen Kontroverse.
- Alle regen sich auf.
- Wer das original Interview sucht, findet jetzt nur noch Sekundärartikel, die natürlich alle nicht auf das Original verlinken. Das würde auch nichts nützen, denn das Interview befindet sich hinter einer Paywall. Niemand hat das Interview gelesen – nur Tweets dazu.
- Einige regen sich über die Aufregung auf.
- Darüber regen sich andere auf.
- Wenn man Twitter mal abschaltet und mit Leuten auf der Straße spricht, haben die von alledem nichts mitbekommen.
Sascha Lobo hat das schon viel schöner für Spiegel Online aufgeschrieben.
Jedenfalls habe ich es immer für schlau gehalten, vielen Journalistinnen und Journalisten zu folgen. Die sind doch klug, haben den Durchblick und empfehlen bestimmt nur gute Artikel. Tatsächlich sind die aber Teil der Aufregungsmaschine und ich hab das nicht mehr ertragen. Über 1000 Accounts habe ich entfolgt. Die meisten waren von Journalistinnen und Journalisten.
Seither finde ich Twitter wesentlich entspannter. Ich sehen viel mehr normale Tweets von Freunden und Bekannten. Nur wenn Twitter mal wieder auf seine Highlights-Empfehlungen umschaltet, habe ich wieder jede Menge Aufregung in meiner Timeline. Irgendwer, dem ich folge, folgt irgendwem, der sich gerade aufregt…
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