Der gesellschaftliche Diskurs ist in den letzten Jahren eher zu einem wütenden Anschreien geworden. Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun wollen etwas zur Befriedung beitragen.
Mann: „Du, da vorne ist grün!“
Frau: „Fährst du oder fahre ich!?“
Wenn wir etwas sagen, drücken wir damit nicht nur die Fakten aus – die Sachebene. Es gibt immer auch einen Appell, einen Teil Selbstoffenbarung und eine Aussage über die Beziehung, in der sich die Menschen zueinander wahrnehmen. Die vier Seiten einer Nachricht – Das Vier-Seiten-Modell ist die Theorie, mit der Friedemann Schulz von Thun bekannt geworden ist.
In „Die Kunst des Miteinander-Redens – Über den Dialog in der Gesellschaft und Politik“ spricht Friedemann Schulz von Thun mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen über Wege aus der Polarisierungsfalle. Wie kann man mit Menschen reden, auch wenn sie ganz anderer Meinung sind?
Das Miteinander-Reden ist essentieller Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft. Sie braucht den Dialog. Für einen echten Dialog aber müssen wir einander auf Augenhöhe begegnen und bereit sein, aufeinander zuzugehen, selbst wenn man hinterher noch immer nicht einer Meinung ist. Bernhard Pörksen fasst das zusammen:
„Zuerst verstehen, was der andere sagt, sich dann darum bemühen, seine Position zumindest ein wenig zu würdigen, dann sagen, was man selbst zu alledem meint – das wäre eine Sinnvolle Schrittfolge, die natürlich nicht zu einem Schematismus missraten darf.“
Mit Rechten reden?
Als Community-Manager für eine Partei bin ich immer wieder mit stark anderen Meinung in den Kommentaren auf Facebook und Twitter konfrontiert. Da hauen einem Leute manchmal wirklich Unverschämtheiten vor den Latz. Ich denk aber immer, dass das erst einmal ein Gesprächsangebot ist. Immerhin macht sich da jemand die Mühe, die SPD zu beschimpfen. Selten meint der Mensch mich persönlich – über Beleidigungen kann ich hinwegsehen.
Ich versuch dann den Sachkern der Nachricht zu finden, bei dem man sich vielleicht ein wenig einig sein könnte. Denn oft sehen diese Menschen Ungerechtigkeiten in der Welt und werfen der SPD vielmehr vor, nichts dagegen zu tun – obwohl sie die auch sieht, aber vielleicht andere Lösungen verfolgt.
Selbst bei Thema Flüchtlinge im Mittelmeer würde ich dann erst einmal den Schritt auf den Menschen zu machen und sagen: „Wir finden auch nicht gut, dass Menschen aus Afrika flüchten müssen. Menschen wollen normalerweise gerne zu Hause bei ihrer Familie und ihren Freunden bleiben, statt gefährlich in fremde Länder zu fliehen. Die Lösungen dafür sind aber kompliziert – wir arbeiten daran. Aber solange Menschen flüchten und in Seenot geraten, müssen wir sie retten.“
Es mag auch harte Rassisten unter den Kommentatoren geben – die kommen dann wieder und pöbeln weiter. Die kann man dann immer noch sperren. Wer aber nur einmal einen Kommentar schreibt, will vielleicht einfach seine Unzufriedenheit ausdrücken. Wir lernen einfach nicht, öffentlich, konstruktive Kritik zu äußern. Wenn ich so jemanden dann einfach den „Rassisten“ und den „Menschenfeind“ um die Ohren hau, wird der nicht mehr zuhören, was ich ihm sonst noch zu sagen habe.
Sprechen auf der Bühne
Zusätzlich sind Facebook-Kommentare öffentliche Kommunikation – der Adressat ist nur zweitrangig der unzufriedene Pöbler. Bernhard Pörksen berichtet in dem Buch von seinen Erlebnissen in Fernseh-Talkshows, in denen es nie darum geht, die Gesprächspartner in der Runde zu überzeugen. Es geht nur darum das Publikum vorm Fernseher zu überzeugen.
Mein Facebook-Kommentar wird eben auch von mehr Leuten gelesen, die nicht so laut sind. Vielleicht kann ich zumindest die überzeugen oder denen zeigen, dass hier mitgelesen und mitgedacht wird.
Fake News
So ähnlich funktioniert dann auch die Technik, die Friedemann Schulz von Thun beim Umgang mit Anhängern von Verschwörungstheorien. Man könnte deren Skeptizismus wertschätzen und ihren Glauben kritisieren. Keine Ahnung, ob das funktioniert. Viele Verschwörungstheorien sind so gestrickt, dass sie gegen Kritik immun sind. Aber es klingt immerhin nach einem Ansatz, der sie vielleicht zu einem anderen Nachdenken anregt.
Ich war unsicher, wie gut der Dialog in dem Buch zu lesen ist – er ist hervorragend zu lesen. Friedemann Schulz von Thun und Bernhard Pörksen ergänzen einander hervorragend. Man merkt an viele Stellen, dass keiner von beiden dieses Buch allein hätte schreiben können – mal erdet der eine den anderen, mal zeigt der andere dem einen etwas über den Tellerrand des eigenen Faches hinaus.
Das Buch liefert natürlich keine Pauschallösungen. Es gibt aber schon einige Techniken an die Hand, wie das Miteinander-Reden besser funktionieren könnte. Wer nicht nur die eigene Blase erreichen will, sollte „Die Kunst des Miteinander-Redens – Über den Dialog in der Gesellschaft und Politik“ lesen. Die 214 Seiten kosten 20€ – damit kannst Du Deine örtliche Buchhandlung unterstützen.
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