Die politische Linke sollte dem Rechtspopulismus eine eigene Variante des Populismus entgegensetzen, schlägt die Philosophin Chantal Mouffe vor.
Oft werden Dinge populistisch genannt, die eigentlich nur plakativ oder populär sind. Nur weil eine Äußerung zugespitzt ist oder von vielen Seiten Applaus bekommt, ist sie nicht populistisch.
Volk vs. Eliten
Populismus ist es, wenn Politiker sich auf den Willen des Volkes berufen und eine Kampflinie zwischen Volk und Eliten aufmachen, erklärt Jan-Werner Müller in „Was ist Populismus?“. Rechtspopulismus hat dabei einen exklusiven Begriff von Volk – nicht jeder kann dazu gehören. Rechtspopulismus schließt Menschen aus dem Volk aus.
Linker Populismus sollte dagegen die Interessen von allen möglichen Bevölkerungsgruppen zusammenführen, schlägt Chantal Mouffe vor. Linker Populismus sollte sich eine großes Demokratisierungs-Projekt vornehmen.
Demokratie lebt im dauernden Widerstreit von Freiheit und Gleichheit. Demokratie funktioniert nur mit Menschen, die in Freiheit leben. Allerdings müssen sie auch gleich sein, weil die Freiheit sonst nur für die Reichen gilt. Deswegen muss der Staat zum Beispiel in die Freiheit der Reichen eingreifen, ihnen Geld abnehmen und es den Armen geben. Nur so können alle vernünftig in der Demokratie teilhaben.
Fasten und hungern sind nicht das Gleiche.
Und dann kam der Neoliberalismus…
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine gesellschaftliche Präferenz für die Gleichheit mit einem starken Staat, mit starken öffentlichen Institutionen und starken Gewerkschaften. Dann schlug das Pendel in die andere Richtung aus und der Neoliberalismus griff um sich. Öffentliches Eigentum wurde privatisiert, weil nicht mehr der Staat für ein gutes Leben sorgen sollte, sondern jeder Mensch für sich selbst.
Diese Denkweise hat sich so weit in der Gesellschaft verbreitet, dass sie auch vor den Parteien keinen Halt gemacht hat. Die SPD hat mit Gerhard Schröder damit Wahlen gewonnen. Neoliberalismus wurde zur „Neuen Mitte“. Die SPD stieg aus dem linken Schützengraben und verkündete das Ende von Rechts/Links. Aus Gleichheit wurden Chancengleichheit und Startchancen. Der Staat sollte nur noch für die gleichen Chancen sorgen – wer dann nichts daraus macht, bekommt halt nur noch den Trostpreis.
Dass die Begriffe „Links“ und „Rechts“ keine Bedeutung mehr hätten, war seither weit verbreitete Meinung – nicht nur in der Politik. Politik wirkte dadurch alternativlos. Der Rechtspopulismus nennt sich deswegen in Deutschland nicht umsonst „Alternative für Deutschland“. Chantal Mouffe schlägt nun vor, wieder in die Schützengräben zu klettern und deutlich zu machen, wo sich Rechts und Links unterscheiden.
Linker Populismus
Linker Populismus sollte einen inklusiven Begriff von „Volk“ verwenden. Chantal Mouffe mahnt, die europäischen Sozialdemokratien hätten sich nie davon getrennt, alles durch die ökonomische Brille zu betrachten. Alles sei ein Kampf zwischen Kapital und Arbeit. Dabei hätten sie es verpasst die sozialen Bewegungen zu integrieren, die auch für die gleichen Rechte und Möglichkeiten für alle kämpfen.
Linker Populismus sollte eine Kampflinie aufmachen zwischen diesem Volk aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und ihren demokratischen Forderungen und den Eliten mit ihren entgegengesetzten Interessen.
Linker Populismus kann dann die linke Politik aus ihrer Rationalitätsfalle holen. Linke halten Demokratie oft idealisiert für den Wettstreit der Argumente. Doch der Mensch ist kein Homo Oeconomicus, der seine wirtschaftlichen Entscheidungen rein nach Verstand fällt. Er ist auch kein rein nach dem Verstand abwägender Bürger. Linker Populismus ist ein Appell an Herz und Bauch.
So zumindest habe ich Chantal Mouffe verstanden. Leider ist die deutsche Übersetzung nicht ganz so einfach zu lesen. Zu oft hat der Übersetzer ein Fachwort genommen, wo ein einfaches Wort eine bessere Wahl gewesen wäre. Dadurch liest sich das Buch nicht mehr wie ein Essay zur Rettung der Demokratie und mehr wie eine politikwissenschaftliche Abhandlung.
„Für einen linken Populismus“ ist bei Suhrkamp erschienen, hat 111 Seiten und kostet 14,90€.
Links
- Deutschlandfunk Kultur: Chantal Mouffe im Gespräch mit Christian Möller
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