„Weiß Du, wie viel Megapixel Dein iPhone hat? Wie viele Bilder kannst Du darauf speichern? Welche Apps, die Du auf Deinem iPhone hast und unbedingt brauchst, gibt es nicht für Android?“ Ich denken, auf keine dieser Fragen hat der normale Apple-Nutzer eine Antwort. Das ist nicht der Grund, warum er Apple wählt. Ich befürchte genauso wenig wählen Menschen SPD, weil die sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzt, für kostenlose Bildung oder die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit usw. Der Wert der SPD für die Wähler ist nicht allein die Summe der politischen Errungenschaften oder Versprechen.
Wenn man sich die Geschichte der Bundesrepublik anschaut, dann hat die SPD immer dann die Regierung angeführt, wenn sie nicht nur ein neues Portfolio von politischen Forderungen hatte, sondern einen neuen, politischen Stil einbrachte. Einen Stil, der zur jeweiligen Zeit passt. Gegen die CDU von Adenauer, Erhardt und Kiesinger sah die SPD einfach strahlend und neu aus. Willy Brandt traf mit „Mehr Demokratie wagen“ den Geist der Zeit. Die SPD hat damit einfach in einer ganz anderen Liga gespielt als die altbackene CDU.
So war es auch mit Björn Engholm in Schleswig-Holstein. Der hat schon seit 1983 ein sozialdemokratisches Gegenbild zu einer Landes-CDU entworfen, die Schleswig-Holstein als ihr Eigentum betrachtet hat. Er hat die Menschen im Land nicht mehr in Klassenkämpfer einerseits und Bauern und Bürger andererseits eingeteilt. Stattdessen hat er das Bild einer Sozialdemokratie vermittelt, die alle Menschen beteiligt. Schon 1987 hatte er es fast geschafft. Als dann die Barschel-Affäre aufgedeckt wurde, war es dem Letzten im Land klar: Da steht eine moderner Ministerpräsident, mit einer modernen Partei und einer modernen Politik bereit. Auch Engholm hat es geschafft den Geist der Zeit zu treffen und in einer ganz anderen Liga zu spiele als die verknöcherte Barschel-CDU.
Gerhard Schröder ist es mit seiner Idee der „Neuen Mitte“ gelungen, die SPD in einer anderen Liga als die bräsige, späte Kohl/Schäuble-CDU spielen zu lassen. Er hat die SPD aus ihrem Grabenkampf mit der CDU befreit, indem er glaubhaft die Gräben für ein Relikt der Vergangenheit erklärt hat.
Das Problem der SPD heute ist, dass sie es nicht schafft, sich auf diese Art zu profilieren. In der Großen Koalition muss sie das Spiel mit der CDU spielen. Doch auch wenn sie dabei noch so viele Tore schießt – die Leute mögen das Spiel nicht mehr. AfD und Grüne bieten ein anderes Spiel. Robert Habeck schafft es, die Grünen über das Spiel der Großen Koalition erhaben erscheinen zu lassen.
Die Grünen stehen am Spielfeldrand und sagen: „Bei uns wäre das alles anders.“ Dabei sind den meisten Menschen viel mehr als die generellen Eckpunkte grüner Politik sind nicht bekannt. Oder wie es mal jemand zu mir sagte: „Ich hab keine Ahnung von Politik. Ich wähl grün. Die machen zumindest irgendwas für die Umwelt.“ Jetzt schaffen sie es zusätzlich noch, als Gegenentwurf zur Großen Koalition zu wirken – egal ob das bedeutet, dass sie mit CDU und FDP regieren. Ähnliches gilt für die AfD.
Die SPD versucht in der Großen Koalition durch Fair-Play glänzen und möglichst viele Tore zu schießen. Gleichzeitig streitet sie intern darüber, ob man mehr so wie bei Willy Brandt sein sollte, wie bei Gerhard Schröder oder in Schleswig-Holstein wie bei Björn Engholm. So wird das nicht funktionieren. Sascha Lobo schreibt dazu:
„Wenn die Milch ausgeschüttet wurde, fließt sie nicht zurück in den Krug, wenn man ihn umdreht. Ein Grund dafür liegt in der strukturell nachtragenden Art der linken Öffentlichkeit: Andrea Nahles könnte sich „Hass auf Hartz IV“ auf die Stirn tätowieren, sie würde von vielen noch immer dafür abgelehnt.“
Das macht auch das Bedingungslose Grundeinkommen so attraktiv: Es ist nicht die Diskussion über diese oder jenen Reform irgendeines Paragraphen im Sozialgesetzbuch XY, sondern ein völlig neuer Ansatz.
„Ihr Sozis wollt es immer allen recht machen,“ hat mal eine Grüne zu mir gesagt. „Wir wollen ja auch mehr als 10 Prozent erreichen,“ war meine Antwort. Und ich glaube, dass das auch weiterhin der Faktor ist, der die SPD von den Grünen unterscheidet. Die Grünen können sich eine Haltung leisten, die sagt: „Hierfür stehen wir – entweder Dir gefällts oder nicht.“ Die FDP kann das auch so machen.
Ich beneide die ein wenig dafür. Aber so kann man eine Gesellschaft nicht zusammen halten. Man braucht Parteien, die Brücken über die Bedürfnisse verschiedenere gesellschaftlicher Gruppen hinweg bauen kann. Das seh ich bei den Grünen noch nicht. Was bei den Grünen zurzeit ein Höhenflug mit 19,8 % in Hessen ist, ist bei der SPD mit 19,8 % ein Tiefpunkt.
Die SPD hat es in der Vergangenheit geschafft, vielen Menschen klar zu machen, dass sie gemeinsame Interessen haben. Sie hat es geschafft, deutlich zu machen, dass dafür Veränderungen nötig sind und sie hat den Menschen Sicherheit dabei gegeben. SPD Generalsekretär Lars Klingbeil geht deswegen in seinem Gastbeitrag bei T‑Online in die richtige Richtung:
„Ich bin überzeugt: Es braucht eine politische Kraft, die beide Pole unserer Gesellschaft wieder näher zusammenführt. Ich glaube, die SPD kann das, weil sie in ihren besten Momenten immer den Fortschrittsdrang einer Gesellschaft so organisiert hat, dass die große Mehrheit dabei mitgenommen wurde und profitiert hat.“
Er skizziert damit einen Weg, den die Sozialdemokratie gehen könnte. Ein Kapital dabei sind die vielen neuen Mitglieder, die in den letzten zwei Jahren eingetreten sind. Viele junge Menschen, die sich engagieren, und die diesen neuen Geist einbringen wollen. Die Werte der SPD, Freiheit, Gleichheit, Solidarität bleiben richtig. Die SPD hat alle Elemente in der Hand, sie muss sie allerdings richtig zusammensetzen.
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