Das Gesetz zu den Netzsperren hat viele bisher eher unpolitische Menschen aufgeschreckt – ich kann mich da nicht einmal ausschließen: Das Gesetz war das nur letzte in einer Reihe fragwürdiger Überwachungsgesetze und es führte vor Augen, dass sich soetwas nicht von allein verhindert. Für Viele bietet die Piratenpartei die richtige Antwort auf dieses Problem. Ich befürchte, die Gründung einer Partei könnte sogar kontraproduktiv sein.
Die Hauptgrund für den Eintritt in die Piratenpartei ist für die Meisten vermutlich das Thema Bürgerrechte: Sie befürchten, die bestehenden Parteien würden samt und sonders den Rechtsstaat in einen Polizeistaat umwandeln. Ich glaube schon, dass diese Gefahr besteht, ich glaube aber nicht, dass das wirklich das Ziel der Politiker ist. Vielmehr können viele meiner Meinung nach nicht überblicken, welche Folgen ihre Entscheidungen in einer digitalen, vernetzen Welt haben. Da wird eben nicht nur Kinderpornografie gesperrt – es wird auch eine nicht rechtsstaatliche Infrastruktur aufgebaut, mit der sich beliebige Inhalte filtern lassen. Die Kritiker befürchten, bald „ihrem“ Medium nicht mehr trauen zu können: Der Grund, warum eine Seite tatsächlich gesperrt ist, wird nicht transparent gemacht und nicht richterlich überprüft.
Viele Piraten wollen also nicht die Macht übernehmen, sondern vor allem wieder Ihrem Medium trauen können. Deswegen sollte es im Prinzip egal sein, woher die Mehrheit für diese Politik kommt. Eigentlich muss ein Umdenken in allen Parteien einsetzen: Das Internet darf nicht immer nur als Gefahr angesehen, sondern auch als Chance begriffen werden.
Das Vorbild der Piraten sind die Grünen: Die sind auch einst mit nur wenig Programm als Partei angetreten und sie haben es inzwischen geschafft, dass sich sogar die CDU grüne Themen ins Wahlprogramm schreibt. Aber sie hat 20–30 Jahre dafür gebraucht und sie ist bisher immer nur der Juniorpartner in Regierungen gewesen. Bis vor wenigen Jahren wurde gegen die Partei noch mit dem Label „nicht regierungsfähig“ gehetzt. Parteien kämpfen gegeneinander, weil es im Parlament nur prozentuale Anteile gibt. Jeder eigene Stimmengewinn bedeutet Verlust auf der anderen Seite. Und jeder kann seine Politik am Besten mit möglichst vielen Stimmen durchsetzen. Wenn die Piraten anfangen in diesem Gewässer mit zu fischen, wären sie ein Gegner der anderen Parteien.
Nehmen wir an, die Piraten bekommen die Unterstützerunterschriften für die Bundestagswahl zusammen, und schaffen es das Ergebnis der schwedischen Piraten zu holen: Gleichzeitig hätten sie ihre 7% eher rot/grün als CDU/FDP geklaut. Da schwarz-gelb dann gewonnen hätte und sicher nicht mit den Piraten koaliert (schwarz-gelb-orange?). Dann sitzen da eine Hand voll völlig unerfahrener Informatiker und Mathematiker im Parlament, erreichen vermutlich nicht einmal Fraktionsstärke. Die könnten dann immer nur gegenan reden, erreichen nix und verschwenden eine Menge Energie.
Ich denke, die Anhänger der Piraten wären besser beraten, wenn sie nicht den Grünen nacheifern, sondern Greenpeace oder Oxfam. Diese NGOs können ganz anders mit den Parteien reden, weil sie in keinerlei Konkurrenz zu ihnen stehen. Diese Organisationen können sich ihre Mehrheiten überall suchen. Und nur als Tipp: Ich kenne eine Reihe Leute, die zwar parteilich gebunden sind, in so einer Organisation aber auch mitmachen würden.
Außerdem würde das dazu führen, dass sich die Piraten wirklich auf das konzentrieren können, wovon sie wirklich Ahnung haben. Zu einer Partei gehört mehr als „Freiheit im Internet“. Da wird die Partei noch eine Menge diskutieren müssen: Wie stehen die Piraten zu Atomkraft? Wie halten sie es mit Studiengebühren? Was sagen die Piraten zum Thema Mindestlohn? Welches Familienbild vertreten sie? Gibt es eine Frauenquote? – Gerade bei einem so Männer-dominierten Thema, sollte das relevant sein. Man kann nur erahnen, was da auf die Politneulinge noch zukommen, wenn man die Aussage von Jens Seipenbusch und die Reaktionen darauf liest:
„Wir wollen allen Leuten, denen unsere Themen wirklich sehr, sehr wichtig sind, die Möglichkeit bieten sich zusammen zu tun, egal ob sie aus dem eher linken oder eher rechten Lager kommen.“ – spreeblick.com
Will man wirklich auch mit rechts kollaborieren? Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht jeder Neupirat so sieht.
Ich wäre dabei, zum Beispiel eine deutsche Abteilung der Electronic Frontier Foundation aufzubauen. Wer noch?
Links
- Wohin die Winde wehen, spreeblick.com
Foto: jonworth-eu, Lizenz: Creative Commons
Schreibe einen Kommentar