Griechenland

Was passiert nach dem OXI?

Kommentare

  1. Avatar von Marek Walther
    Marek Walther

    Mach dir da mal kei­ne Sor­gen, die Grie­chen schaf­fen das. Die sind ein Volk mit Stolz und viel Hel­den­tum in ihrer Geschich­te und bis­her nach jeder ver­meint­li­chen Nie­der­la­ge wie­der aufgestanden.
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    Ich fin­de es rich­tig, dass die Hel­le­nen der EU auf die­se Wei­se den Stin­ke­fin­ger zei­gen und ich wür­de auch die Gül­tig­keit die­ses Refe­ren­dums bei einer Wahl­be­tei­li­gung von 62% nicht anzwei­feln. Eine höhe­re Wahl­be­tei­li­gung hät­te dam Ergeb­nis sicher­lich einen stär­ke­ren Aus­druck ver­lie­hen, aber wen wir mit 60% Wahl­be­tei­li­gung unser Lan­des­par­la­ment zusam­men­stel­len kön­nen, kön­nen die Grie­chen auch mit 62% ihr Schick­sal in die eige­nen Hän­de neh­men. Die­ser Schritt war wich­tig für Tsri­pas, den so ver­si­chert er sich dem Rück­halt in der Bevöl­ke­rung und schwört sein Volk auf die Höl­len­fahrt ein, die die­sem jetzt bevor­steht. Die Troi­ka hat in den letz­ten Jah­ren mit ihren Bedin­gun­gen Grie­chen­land an den Abgrund gebracht, vor dem es heu­te steht. Die Spar­maß­nah­men haben den Bin­nen- und Arbeits­markt rui­niert und das Land zu einem Import­land ver­kom­men las­sen. Zusätz­lich wur­den durch die Umschul­dun­gen aus­län­di­sche Inves­to­ren ent­las­tet und die Ver­ant­wor­tung und Kos­ten dem EU-Steu­er­zah­ler auf­ge­bür­det. Man woll­te wohl eine zwei­te Ban­ken­ret­tung im Euro­land um jeden Preis verhindern.
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    Aber jetzt wird es span­nend, den jetzt steht die EU im Grun­de mit dem Rücken zur Wand. Ein Schul­den­schnitt wäre nur schwer zu ver­mit­teln. Kommt die­ser, wer­den sich Ita­li­en, Spa­ni­en und Co hin­ten anstel­len, was rich­tig teu­er wird. Grie­chen­land aus der EU und aus dem Euro aus­zu­schlie­ßen, sind des Kanz­le­rins Alb­träu­me. Der ein­zi­ge Grund, die Grie­chen in die EU auf­zu­neh­men, war eine stär­ke­re Bin­dung Grie­chen­lands an die NATO. Die Grie­chen hat­ten die NATO schon ein­mal 1974 ver­las­sen und sind dem Bünd­nis dann spä­ter wie­der bei­getre­ten. Die NATO fürch­te­te um ihre Süd-Flan­ke und des­halb soll­te Grie­chen­land Teil der Staa­ten­ge­mein­schaft wer­den. Zusätz­lich lock­ten auch noch hohe Gewin­ne für die Rüs­tungs­in­dus­trie, die das grie­chi­sche Mili­tär wie­der auf NATO-Stan­dard auf­rüs­ten durf­ten. Und dann ist da noch der Euro. Die Drach­me an den Euro zu bin­den, war schon damals als aus­sichts­los erkannt wor­den. Daher hat man sich ent­schlos­sen, den Bei­tritt zu kaschie­ren, und die Löcher so lan­ge zu stop­fen, bis sich die­se nicht mehr leug­nen lie­ßen. Und dann ist da noch die Flücht­lings­pro­ble­ma­tik, die sich die EU als Vasal der ame­ri­ka­ni­schen Außen­po­li­tik sel­ber ein­ge­brockt hat und die der­zei­tig an den Strän­den Grie­chen­lands gestoppt wird.
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    Was jetzt pas­sie­ren wird, ist schwer vor­her zu sehen. Wenn Tsri­pas sich bei der EU nicht mit einem Schul­den­schnitt durch­setz­ten kann, wird den Hel­le­nen nichts ande­res übrig blei­ben, als die Drach­men wie­der aus der Komo­de zu kra­men. Dann wird die­ses Land die nächs­ten zwei Jah­re buch­stäb­lich durch ein rei­ni­gen­des Höl­len­feu­er gehen und in spä­tes­tens drei Jah­ren zu einem der belieb­tes­ten Feri­en­zie­le in Euro­pa wer­den. Bis dahin muss sich wie­der eine funk­tio­nie­ren­de Volks­wirt­schaft auf­bau­en, die die Grund­be­dürf­nis­se der Men­schen befrie­di­gen kann. Vie­le Men­schen wer­den vie­le ver­lie­ren, aber das wer­den nicht nur Grie­chen sein. Vie­le EU-Bür­ger – auch aus Deutsch­land – haben dort Grund­be­sitz und Woh­nungs­ei­gen­tum. Vie­le nut­zen die­se für Ver­mie­tun­gen und fürch­ten jetzt den Total­ver­lust. Hier kann man auch sehr schön sehen, das vie­le der Nicht­steu­er­zah­ler Grie­chen­lands noch nicht mal in Grie­chen­land woh­nen. Wenn Grie­chen­land fällt, beu­tet die­ses mit Sicher­heit auch Ent­eig­nung und Ver­staat­li­chung. Vie­le Diens­te und Sozi­al­leis­tun­gen wer­den schrump­fen und jeder Hel­le­ne wird wie­der mehr Eigen­ver­ant­wor­tung über­neh­men müs­sen. Da kann man nur hof­fen, das die Hel­le­nen durch­hal­ten und nicht den Lock­ru­fen der rech­ten Mör­gen­rö­te auf den Leim gehen.
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    Was immer die Hel­le­nen jetzt tun, ich wüsche ihnen viel Glück dabei. Der Weg ist der Rich­ti­ge. Und die Staa­ten­ge­mein­schaft der EU wird auf die­sem Weg in Haf­tung genom­men wer­den, den eine huma­ni­tä­re Kata­stro­phe kann sich Euro­pa nicht in sei­ner ‚Mit­te’ leis­ten. Wel­che Aus­wir­kun­gen es auf die­se Staa­ten­ge­mein­schaft hat und ob es der Anfang vom Ende ist, wird die Zeit zeigen.

    1. Avatar von Steffen Voß

      Ich bin beein­druckt wie viel Wis­sen du über Geschich­te, Wirt­schaft und Men­ta­li­tät der Grie­chen du hast und welch geschlos­se­nes Bild der Zukunft du siehst.

  2. Avatar von Christof Ortmann
    Christof Ortmann

    In der Pro­blem­be­schrei­bung erwähnst du meh­re­re Fak­to­ren, die zur Kri­se zumin­dest bei­getra­gen haben:
    – Banken
    – Spekulanten
    – Staa­ten, die an der Kri­se verdienen
    In dei­nen Über­le­gun­gen zu einer Lösung blen­dest du das weit­ge­hend aus. Der Fokus liegt dar­auf, wie man das „Grie­chen­land vor der Kri­se“ wie­der­her­stellt. Ist damit nicht vor­pro­gram­miert, dass sich die Geschich­te frü­her oder spä­ter wie­der­ho­len wird?
    Ler­nen wir eigent­lich etwas aus der Kri­se? Ver­su­chen wir etwas bes­ser zu machen als bis­her? Oder schrau­ben wir nur an den Sym­pto­men her­um, um uns nicht aus der gut ein­ge­ses­se­nen Kom­fort­zo­ne bewe­gen zu müssen?

    1. Avatar von Steffen Voß

      @Christof: Ja, der Schwer­punkt liegt nun mal im Moment auf Grie­chen­land. Der Text ist ja schon lang genug. Und im letz­ten Absatz steht, dass Ban­ken nicht mehr sys­tem­re­le­vant sein dür­fen. Dar­in ver­birgt sich das eigent­lich. Das ist aber ein The­ma für sich.
      Ich habe mich immer gefragt, war­um etwas das nicht zum Sys­tem (Staat) gehört sys­tem­re­le­vant sein darf. Alles was sys­tem­re­le­vant ist gehört in demo­kra­ti­sche Kon­trol­le – und zwar nicht in Form von sym­bo­li­schen Auf­sichts­rats­pos­ten, son­der tat­säch­lich durch­schau­bar für Bür­ge­rin­nen und Bür­ger. Oder es gehört so klein gemacht, dass es ohne gesell­schaft­li­che Ver­wer­fun­gen plei­te gehen kann.

  3. Avatar von Hilmar-Detlef Brückner
    Hilmar-Detlef Brückner

    Herr Tsi­pras zeigt das tak­ti­sche Geschick, dass sich in der Geschich­te Grie­chen­lands her­aus­ge­bil­det, bewährt und ermög­licht hat, meh­re­re Jahr­hun­der­te unter osma­ni­scher Herr­schaft an der Schnitt­stel­le von Ori­ent und Okzi­dent zu über­le­ben. Gut mög­lich auch, dass es dafür bei den Grie­chen eine beson­de­re Bega­bung gibt.
    Um auf ver­blas­sen­de klas­si­sche Bil­dungs­er­leb­nis­se zurück­zu­grei­fen: wie war das doch gleich mit dem Rat zur Vor­sicht im Umgang mit „geschen­ke­brin­gen­den“ Grie­chen – quid­quid it est timeo Dana­os dum dona fer­ren­tes“ – so oder ähnlich?
    Natür­lich hat Herr Tsi­pras am 8. Juli nichts Hieb- und Stich­fes­tes mit­ge­bracht. Er spielt auf Zeit und setzt dar­auf, dass sei­ne Ver­hand­lungs­part­ner einen Crash unter allen Umstän­den ver­mei­den wollen.
    Doch nach­dem er sich Rücken­de­ckung durch eine Volks­be­fra­gung besorgt hat, ste­hen sei­ne bis­he­ri­gen Geld­ge­ber unter Druck, weil sich jetzt die Bevöl­ke­rung ihrer Län­der zu Wort mel­det, auch gefragt wer­den will und deut­lich macht, dass sie nicht bereit sind, wei­ter Geld in ein Fass zu schüt­ten, das offen­sicht­lich kei­nen Boden hat.
    Und zum Abschluss noch eines: ich habe das dump­fe Gefühl, dass der Appell an den „Huma­nis­mus“ in vor­lie­gen­den Fall als letz­tes ver­blie­be­nes Argu­ment gezielt ein­ge­setzt wird, um die Regie­run­gen der „klas­si­schen euro­päi­schen Bil­dungs­län­der“ zah­lungs­wil­lig zu machen.

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