Gestern habe ich zum ersten Mal eine Bahnfahrt abgebrochen. Ich habe es nicht geschafft, einmal quer durch Schleswig-Holstein zu fahren.
Ich wollte nur von Kiel nach Heide. Für die 80 km benötigt man mit dem Auto eine Stunde. Mit der Bahn schon normalerweise mindestens eine Stunde und vierzig Minuten.
Zur Wahl stand eine Fahrt mit dem Schienenersatzverkehr nach Rendsburg und dann mit dem Linienbus nach Heide – fast so, wie man auch mit dem Auto fahren würde. Das sollte aber über zwei Stunden dauern. Da hätte ich gerne schon mal ein Klo an Bord.
Aber es gab auch noch die Strecke mit der Bahn bis Neumünster und von dort nach Heide. Das dauert nur eine Stunde und vierzig Minuten. Allerdings: Man hat nur neun Minuten Umsteigezeit in Neumünster und der Zug nach Heide fährt nur alle zwei Stunden. Aber wie viel Verspätung kann man schon auf der 20 Minuten-Fahrt von Kiel nach Neumünster haben? Immerhin wird der Zug in Kiel eingesetzt.
Bahnfeind Nummer 1: Das Wetter

Nun war es in den letzten Tagen nass und windig und so passierte es, dass der Zug nach sechs Minuten Fahrt in Flintbek hielt – „auf unbestimmte Zeit“ – weil auf der Strecke ein Baum drohte in die Oberleitung zu stürzen. Die Bundespolizei sei informiert und auf dem Weg.
Nach ein paar Minuten kam eine Durchsage, die den Raucher*innen anbot, zum Rauchen nach draußen zu gehen – man würde bescheid sagen, wenn es weiter ginge. Einige Fahrgäste stiegen aus und gingen weg.
Ich überlegte, ob ich wohl irgendwie nach Kiel zurück kommen könnte, um doch mit dem Schienenersatzverkehr über Rendsburg zu fahren. Aber das wäre dann doch knapp geworden. Also hoffen und warten.
Wir fuhren genau zu dem Zeitpunkt weiter, als wir eigentlich in Neumünster hätten ankommen sollen. Es war abzusehen, dass wir die Strecke und den Zwischenhalt in Bordesholm nicht in 9 Minuten schaffen würden und ich hatte minimale Hoffnung in die Kulanz der Bahn und dass der Zug nach Heide auf den aus Kiel wartet.
Am Bahnhof Neumünster
Er hat nicht gewartet.
Ich sollte jetzt zwei Stunden auf den nächsten Zug warten.
Ich habe nachgeschaut, welche Alternativen ich von Neumünster aus habe: Es ginge über Elmshorn. Da könnte ich in einen Zug von Hamburg nach Westerland/Sylt umsteigen. Allerdings dauert das dann mindestens zweieinhalb Stunden – wenn ich eine geplante Verbindung genommen hätte. Und meine Fahrkarte gilt da natürlich nicht mehr, weil ja nicht zählt, von wo nach wo man fährt, sondern wie lange man im Zug sitzt.
Die Option fiel allerdings aus, weil der entsprechende Zug ausfiel.
Also stand ich da und überlegte.
Einmal Retour

Ich hatte keine Lust, zwei Stunden zu warten, um dann noch einmal über eine Stunde Bahn zu fahren, um am Ende fast vier Stunden für 80 km zu brauchen. Das sind 20 km/h – da hätte ich besser mit dem Fahrrad fahren können!
Also rief ich meine Mutter an und sagte, dass ich es heute nicht mehr nach Heide schaffe und es nächste Woche noch einmal versuche. Ich sagte noch, dass das Wetter in Neumünster eigentlich gerade ganz schön sei, in Richtung Kiel aber dunkle Wolken drohten, da fing es an zu schütten. Und weil das nicht reichte, wurde es auch noch windig und ein Güterzug bretterte durch den Bahnhof.
Der Bahnsteig war voller Leute, die mit dem Zug nach Kopenhagen fahren wollten. Ich glaube, der hatte sich auch schon verspätet. Jetzt kam die Ansage, dass die 768 Fahrgäste den Bahnsteig wechseln sollten, weil der Zug das auch getan hat.
In einer viertel Stunde sollte mein Zug zurück nach Kiel kommen. Also, planmäßig sollte er da kommen.
Willkommen im Bahnmuseum

Das Wetter beruhigte sich wieder und bei meinem Zug wurden die ersten fünf Minuten Verspätung angezeigt. Eine altmodisch wirkende Lokomotive fuhr durch den Bahnhof. Wenn ich Langeweile an Bahnhöfen habe und ich eine ungewöhnliche Lokomotive sehe, recherchiere ich immer die Betriebsnummer und informiere mich über Bahngeschichte.
Die Kollegin hier wurde wurde zwischen 1970 und 1982 in Luhansk, in der heutigen Ukraine gebaut und in die DDR geliefert. Wenn ich Wikipedia richtig verstehe, ist diese hier noch immer betriebsbereit und soll erst bis 2030 ausgemustert werden. Als der Bestand der Reichsbahn nach der Wiedervereinigung zur Deutschen Bahn überging, bekam diese Baureihe den Spitznamen „Ludmilla“, sagt Wikipedia.
Mein Zug zurück nach Kiel verspätet sich immer mehr. Erst 5, dann 10, jetzt 15 Minuten. Mal sehen, wie viele es noch werden.

Aber tatsächlich kam der Zug pünktlich, genau 15 Minuten zu spät. Und noch so eine Sehenswürdigkeit! Im originalen Elfenbein/Ozeanblau von 1975 fährt Konrad ein! Eine Rarität, wie mir das Internet verrät: Die Baureihe 218 ist zwar nicht selten – von der wurden fast 400 für die Deutsche Bahn gebaut, aber diese hier ist eine von drei Exemplaren, die Anfang der 2000er mit einem neuen Motor ausgestattet wurde. Die beiden anderen sind inzwischen zerlegt. Diese Lokomotive darf von Kiel aus immer noch fahren. Immerhin braucht der 16V Diesel keine Oberleitung.
Die restliche Fahrt von Neumünster nach Kiel zurück verläuft fast ohne Probleme. Nur kurz vor dem Hauptbahnhof halten wir noch einmal. Dieser Halt wurde vermutlich von Harry’s Fliesenmarkt gesponsort. Auf den hatte ich jedenfalls einen super Blick.
Dann war ich wieder zurück in Kiel. Nach fast zwei Stunden.
Und nun?

Für nächstes Wochenende habe ich mir ein Auto bei Stattauto gebucht. Derzeit scheint es zumindest in Schleswig-Holstein kaum eine Strecke zu geben, auf der man noch fahren kann. Zwischen Kiel und Hamburg wird gebaut. Zwischen Kiel und Rendsburg wird gebaut. Auf der Strecke Richtung Flensburg wird gebaut. Zwischen Kiel und Lübeck fehlt das Personal. Keine Ahnung, ob das Problem mit der Marschbahn, Richtung Sylt, inzwischen gelöst ist.
Ich weiß jetzt auch nicht mehr. Ich fahre wirklich gerne mit der Bahn. Aber man kann sich einfach nicht mehr darauf verlassen, dass mal irgendwas rechtzeitig erreicht. Ich kann doch für längere Strecken nicht immer einen An- und einen Abreisetag einplanen.
Ich habe aber auch keine Lust, lange Strecken mit dem Auto zu fahren. Ich habe mir vorgenommen, keine Strecken außerhalb von Schleswig-Holstein mehr mit dem Auto zu fahren, weil das auch zu stressig ist.
Vorschläge?
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