„Woran glauben wir, Sir“ fragt der junge Dick Cheney (Christian Bale) seinen Mentor Donald Rumsfeld (Steve Carell). „Woran wir glauben?“ Lachend geht Rumsfeld in sein Büro.
„Vice – Der Zweite Mann“ (2019) ist eine Satire über die amerikanischen Republikaner aus der Perspektive des Vize-Präsidenten Dick Cheney. Für die Rolle hat sich Christian Bale extra 20 Kilo zusätzlich angefuttert. Erst fragt man sich, was so ein Comedy-Ansatz wirklich über die Geschichte erzählen kann. Dann aber wird klar: Die handelnden Personen, Cheney, Bush, Rumsfeld, Powell usw. werden bis zur Kenntlichkeit entstellt.
Der Film schafft es auf brillante Art, die systematische Rechts-Verschiebung der gesellschaftlichen Diskurse seit dem Absturz von Richard Nixon aufzuarbeiten. Von der „Trickle Down Ökonomie“ bis hin zum Irak-Krieg. Alles dient vor allem der Bereicherung der Eliten. In Fokusgruppen-Gesprächen feilen die Republikaner an ihrer Propaganda. So wird aus der weithin akzeptierten Erbschaftssteuer, die Sterbesteuer. Wie kann der Tod am Ende auch noch Geld kosten!?
War Richard Nixon noch über illegale Machenschaften aus dem Amt gestolpert, galt unter Bush/Cheney die Doktrin: „Wenn es der Präsident tut, ist es legal.“ Wenn die USA nicht foltern, dann ist nichts, was die USA tun Folter. Juristische Konstruktionen im Wolkenkuckucksheim, auf die sich aber zuletzt auch Donald Trump wieder berufen hat. Wer sich an The Report mit Adam Driver erinnert, weiß dazu auch noch, dass die USA wussten, dass Folter überhaupt keine verwertbaren Ergebnisse bringt.
Die Landnahme im Irak für die internationalen Ölkonzerne hat 600.000 Menschen im Irak das Leben gekostet. Die Verbindungen zu Al-Qaida waren nur erlogen und haben zur Gründung des IS geführt. All das war aber offenbar vom Ex-Ölkonzern-CEO Dick Cheney von langer Hand geplant. Und 9/11 war nur der Vorwand dafür, die Menschen den Ölprofiten zu opfern und dafür sogar eine ganze Weltregion zu destabilisieren – es ist ja alles weit weg.
Der Film ist aber keine krasse Karikatur des Menschen Dick Cheney. Er zeigt ihn in all seinen Facetten. Und zunächst hegt der Zuschauer sogar fast Sympathien für den Familienvater, der auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur verzichtet, um seine lesbische Tochter Mary zu schützen.
„Vice“ ist nicht nur der Vize-Präsident, sondern auch das englische Wort für „Laster“. Am Ende opfert Cheney dann doch noch seine lesbische Tochter für die politische Karriere seiner älteren Tochter.
Der Film überrascht immer wieder mit spannenden filmischen Ideen. Einem Abspann in der Mitte – so hätte es auch ausgehen können – das Happy End. Oder dem nervös wippenden Fuß von George W. Bush (Sam Rockwell) als er den Angriff auf den Irak im Fernsehen verkündet, der zum nervös wippenden Fuß des Familienvaters in Bagdad überblendet, der sich vor den Bomben mit seiner Familie unter dem Tisch versteckt.
„Vice – Der Zweite Mann“ dauert 132 Minuten und ist durchgehend spannend und unterhaltsam. Die Form der Satrie sorgt dafür, dass man am Ende nicht vollkommen deprimiert von der Welt ist und man trotzdem etwas über sie gelernt hat.
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