Oft versuchen wir nur die analoge Welt zu digitalisieren, statt sie neu zu denken.
Die eine Art Digitalisierung zu denken geht so: Ich habe einen Plattenspieler und mich nervt es, dass ich die Schallplatte immer umdrehen muss. Also müsste jemand mal einen Roboterarm erfinden, der die Platte vorsichtig greift und dann wendet.
In der Umsetzung kommt es dann zu Schwierigkeiten, weil keine zwei Plattenspielermodelle gleich sind, es verschieden große Schallplatten gibt und die der vorsichtig gegriffen werden müssen.
Wer sich so einen Roboterarm zu seiner Plattensammlung stellen will, muss den ganz exakt so einstellen, dass er zum Plattenspieler und den Platten passt. Dafür muss man das halbe Wohnzimmer umbauen. Dann aber ist es ganz praktisch – außer, wenn man doch mal eine Shape-Platte auflegen lassen will. Diese unregelmäßigen Sonderformate kann der Roboter dann doch nicht.
Die andere Art Digitalisierung zu denken ist: Spotify.
Klar: Vinyl-Heads wird man mit Spotify nicht glücklich machen. Echten Musikfans fehlt dann doch zu viel im Angebot, als dass sie ihre Musiksammlung damit ersetzen und wer Wert auf Datenschutz legt, hat auch keinen Bock drauf, dass dort jeder Klick gespeichert und verwertet wird.
Die meisten Menschen aber wollen Musik ohnehin nur hören wie ein Radio, bei dem sie sich ab und zu mal ein Lied wünschen können. Da läuft Musik als stimmiges Geräusch im Hintergrund. Die hatten in der Vergangenheit ohnehin nur fünf CDs und zehn Platten im Schrank stehen und haben Radio gehört.
Digitalisierung wird immer dann wirklich kompliziert, wenn sie auf die erste Art gemacht wird. Zum Beispiel beim Selbstfahrenden Auto. Vor sieben Jahren hab ich gedacht, dass das viel schneller geht. Die Tests, die damals vorgeführt wurden, waren schon erstaunlich. Ich dachte, in 10 Jahren hätten die Fahrzeuge sich durchgesetzt.
Tatsächlich liegt der Teufel im Detail und die Fahrzeuge sind noch nicht gut darin, unter allen realen Bedingungen sicher zu fahren: Dort wo sie auf Menschen treffen, die an der Straße warten, kann der menschliche Fahrer anhand subtiler Merkmale die Situation einschätzen: Wird der Fußgänger über die Straße gehen oder nicht? Das Auto kann so etwas noch nicht einschätzen. Deswegen kommt es in der relativ kontrollierten Umgebung auf der Autobahn schon ganz gut zurecht – in der Innenstadt nur schwierig.
Das Land Schleswig-Holstein arbeitet schon ewig an einer Software zur Personalverwaltung. Dort müssen alle Fälle, die im Personalwesen auftreten können abbildbar sein – all die Spezialfälle von Mitarbeitern in verschiedenen Arbeitsverhältnissen. Beamte, Angestellte, in der Landesverwaltung, bei der Polizei mit Sonderzuschlägen, Menschen in Teilzeit, Elternzeit, Altverträge mit anderen Vertragsbedingungen usw. Und weil das Ganze noch nicht komplex genug ist, macht man das zusammen mit Hamburg. 2022 soll sie endlich funktionieren – acht Jahre später als geplant.
Da kann man schon verstehen, dass neue Unternehmen wie Uber sich den Stress sparen wollen, und sich ein einfaches System ausdenken, in dem alle gleich (wenig) verdienen.
Für Fälle wie die Landesverwaltung kommt das natürlich nicht in Frage. Die können ihren Mitarbeitern kein einfaches Gehaltssystem überstülpen, nur weil die Software dann einfacher zu programmieren wäre. Vor jedem Arbeitsgericht würde das scheitern.
Das wirft die Frage auf: Vereinfacht die Digitalisierung Dinge vor allem deswegen, weil sie für komplexe Dinge gar nicht gut funktioniert? Digitalisierung ist immer eine Chance Verfahren zu hinterfragen und gegebenenfalls einfach zu streichen. Manche Dinge sind aber eben komplex.
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