Kann Wirtschaft für immer wachsen? „Sie kann, weil sie muss,“ sagt die orthodoxe Wirtschaftswissenschaft. „Sie darf nicht, in einer begrenzten Welt,“ sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Kate Raworth. Sie schlägt eine Wirtschaftsweise vor, die Rücksicht sowohl auf die biologischen Grenzen unseres Planeten nimmt als auch auf die Bedürfnisse der Menschen und damit gibt der Wirtschaft wieder ein Ziel jenseits von Profit.
Lange Zeit war die Wirtschaftswissenschaft ein Zweig der Philosophie. Moralphilosophen wie Adams Smith dachten dort darüber nach, wie der Mensch sei und wie er mit anderen im wirtschaftlichen Austausch stünde. Die frühen Ökonomen warnten davor, ihr Fach zu wichtig zu nehmen. Aristoteles trennte sogar die Ökonomik – die Lehre vom guten Haushalt und das anhäufen von Reichtum.
In den letzten 100 Jahren hat das Fach versucht, sich von seinen Wurzeln zu lösen. Mit mathematischer Genauigkeit wollte man die Wirtschaft beschreiben. Man stellte Gesetze auf, die nun nicht mehr die Wirtschaft beschrieben, sondern sie beeinflussten. Aus dem Eigennutz des Bäckers und des Müllers bei Adams Smith wurde eine Karikatur des Menschen – der Homo Oeconomicus. Dieses Menschenmodell ist rein Rational, weiß alles und handelt allein aus Eigennutz.
Leben in der Modellwelt
Die Wirtschaftswissenschaft hat sich so nach und nach eine Modellwelt geschaffen und dafür ihre Modellgesetze entwickelt, nach dem Motto, „wenn die Welt so wäre, wie wir uns das überlegt haben, dann würde die Wirtschaft so funktionieren.
Während alle anderen Wissenschaften sich weiterentwickelt haben, hat die Wirtschaftswissenschaft sich in diesen Gräben verschanzt. Zu verlockend war der Ruhm und die Aura der Wichtigkeit den Ökonomen ausstrahlen dürfen. Doch damit muss Schluss sein, ist sich Kate Raworth sicher. Die reichen Länder haben die Grenzen unserer biologischen Möglichkeiten längst überschritten. Die ärmeren Länder ziehen schon seit Jahrzehnten nach. Es droht die Klimakatastrophe.
Die Grenzen des Wachstums
Unser Planet ist schon seit Jahrtausenden in dem Zustand, den wir Holozän genannt haben. Das Klima war sehr lange sehr stabil. Jetzt wird das Klima immer mehr vom Menschen beeinflusst. Das nennt man dann „Anthropozän“. Wir bringen mit unseren Abgasen das Klima aus dem Gleichgewicht, das es sonst noch für 50000 Jahre behalten hätte. Gleichzeitig laufen gerade weitere Umweltkatastrophen im Meer, an Land und in der Luft ab.
Wir haben unsere Grenzen überschritten. Das sind die äußeren Grenzen unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die inneren Grenzen sind die sozialen Untergrenzen. Noch immer haben nicht alle Menschen Zugang zu den grundlegenden Mitteln des Lebens. Sauberes Wasser und genügend Ernährung. Es Fehlen aber immer noch auch Freiheitsrechte.
So kam es zum Doughnut
Zeichnet man diese innere und die äußere Grenze des menschlichen Wirkens in ein Diagramm, ergibt sich ein Doppelkreis – ein abstrakter Doughnut. Dieses Gebäck mit dem Loch in der Mitte.
Wirtschaft hatte immer eine Aufgabe; ein Ziel. Wir haben zugelassen, dass dieses gesellschaftliche Ziel – zum Beispiel die Gemeinschaft zu versorgen – ersetzt wurde, durch den individuellen Profit. Wir müssen der Wirtschaft auch wieder ein gesellschaftliches Ziel geben, denn von allein passiert gar nichts.
Die orthodoxe Wirtschaftswissenschaft glaubt zum Beispiel daran, dass eine nationale Wirtschaft erst einmal dreckiger werden muss, dabei aber wächst und mit dem Wachstum dann sauberer wird. Tatsächlich wird das aber immer hart erkämpft von den Menschen, die sich nicht mehr ihre Lebenswelt zerstören lassen wollen. Also könnte man der Wirtschaft auch gleich das Ziel setzen, sauber zu sein.
Kreislaufwirtschaft
Sauber kann nicht mehr nur das erzwungene Greenwashing von heute sein. Zurzeit lebt unsere Wirtschaft davon, dass Rohstoffe verbraucht werden, sie daraus Produkte herstellt, die irgendwann weggeschmissen werden. Stattdessen müssten Langlebigkeit, Reparaturen, Upgrades und Recycling eingebaut werden. Dazu müsste dann mehr Wissen geteilt werden. So wie es heute schon die Open-Hardware-Bewegung tut.
Kann man eine Wirtschaft landen?
Wirtschaftswachstum ist exponentielles Wachstum. Mit exponentiellem Wachstum haben wir uns in der Corona-Pandemie ein wenig beschäftigt. Jedes Jahr sollen es 2 Prozent mehr sein. Da heißt, die 2 Prozent werden jedes Jahr mehr. Wie soll das eigentlich gehen, dass die Wirtschaft auch noch jedes Jahr schneller wächst?
Wenn man also nicht davon ausgeht, dass die Wirtschaft für immer wächst, dann muss sie irgendwann ein Plateau erreichen. Dann wächst sie nicht mehr. Dafür müssten wir uns doch ziemlich umstellen, weil viele gesellschaftliche System davon abhängig sind, dass die Wirtschaft unendlich wächst. Hier muss man im Laufe der Zeit neue Lösungen entwickeln.
Denn Kate Raworth hat noch nicht für alles eine Lösung. Sie hat nur eine eindringliches Analyse der Probleme in der Welt, in der Wirtschaft und in der Wissenschaft. Sie bietet mit dem Doughnut ein leicht verständliches alternatives Bild der Wirtschaft an. Auf Deutsch ist die „Donut-Ökonomie“ im Hanser Verlag erschienen und kostet in der gebundenen Ausgabe 24 Euro.
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