Eigentlich sollte Ende April das Design Thinking Camp (DTCamp) in Zürich stattfinden. Dann kam Corona und das Organisationsteam beschloss online zu gehen. Aus geplanten 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Zürich wurden 2500 in der ganzen Welt. Organisator Stephan Raimer hat beim WebMontag erklärt, wie das funktioniert hat.
Was ist eine BarCamp?
Wenn mich jemand fragt, was ein BarCamp ist, dann erklär ich: „Ein BarCamp ist eine meist 2‑tägiges Veranstaltung, bei der die Organisation alles vorbereitet wie für eine normale Konferenz: Räume, Catering, Rahmenprogramm, ein Zeitplan. Die Inhalte bringen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit.
Das Konzept „BarCamp“ geht davon aus, dass es auf jeder Fachtagung einigermaßen willkürlich ist, wer auf der Bühne steht und erzählt und wer im Publikum sitzt. Alle sind Expertinnen und Experten für ihre Themen. Morgens gibt es eine Vorstellungsrunde. Wer eine Session halten will, stellt die kurz vor, schreibt den Titel auf eine Karte und klebt sie in den Sessionplan.
Danach läuft der Tag ab, wie eine normale Konferenz: Man sucht sich seinen persönlichen Sessionplan zusammen, nimmt an Sessions teil und macht Smalltalk beim Kaffee.
Wie bekommt man das alles für das Internet übersetzt?
Die Anmeldung der Teilnehmenden und große Teil der zentralen Organisation sind beim DTCamp über „HeySummit“ gelaufen. Dort gab es den Sessionplan. Die Teilnehmernden konnten sich für die Sessions dort anmelden und HeySummit hat sie automatisch regelmäßig per Mail erinnert – fast ein wenig viele Mail, meint Stephan Raimer.
Ursprünglich hatte das Team damit gerechnet, dass sich etwa so viele Leute für das Online-Camp anmelden, wie sich für das normale BarCamp auch angemeldet hätten. Vielleicht 100. Doch dann fragte das Team einige interessante Vortragende an. Corona-bedingt hatten die alle Zeit und die Anmeldezahlen gingen durch die Decke.
Bei 500 Anmeldungen überlegte das Team kurz, die Anmeldung zu schließen. Sie beschlossen, sich auf das große Experiment einzulassen und einfach alle Anmeldungen anzunehmen.
Sessionplanung
Diejenigen, die Sessions anbieten wollten, konnte ihre Ideen schon vorher präsentieren. Außerdem konnten die Sessiongeberinnen und ‑geber vorschlagen, wann ihre Session laufen sollte. Die Teilnehmenden konnten sich schon 14 Tage vor dem BarCamp darüber informieren, was es denn alles geben würde. Das hatte noch einmal einen Werbeeffekt.
Aus diesen Vorschlägen hat das Team einen groben Sessionplan entwickelt und dann in einer Videokonferenz und per Mail mit einige Vortragenden über Verlegungen gesprochen. Danach stand der Plan.
Informelle Kommunikation per Fleep
Ein BarCamp besteht aus mehr als nur Vorträge. Die Sessions sind eher der Vorwand dafür, dass viele Leute zusammenkommen und sich miteinander unterhalten. Smalltalk und Networking sind ein extrem wichtiger Faktor und so einfach gar nicht online abzubilden. Das geflüsterte Gespräch im Publikum geht in Videokonferenzen nicht. Der Chat ist dafür meist nicht geeignet. Man trifft einander nicht in der Kaffeeschlange. Es fehlt an beiläufigen Begegnungen.
Das Organisationsteam hatte dafür einen Google Hangout vorgesehen. Dort war aber praktisch nichts los und ich finde es auch schwierig, mir vorzustellen, wie man dort mehr ins Gespräch kommen soll. Man will ja nicht mit 20 oder 30 Leuten ins Gespräch kommen, sondern mit einem oder zwei.
Stattdessen lief viel Kommunikation über Fleep. Fleep ist so ähnlich wie Mattermost oder Slack. Das Team hat schon vor der Veranstaltung dort Chats eingerichtet und die Teilnehmenden eingeladen. Alle Session-Hosts konnten sich dort für ihre Session einen Chat anlegen. Zum Teil ist dort bis heute Aktivität.
Vorstellungsrunde – fast so schön wie offline
Außerdem konnten sich alle Angemeldeten sich bei Mural vorstellen. Stephan erzählte mir, dass das ein Element ist, dass jedes DTCamp auch offline schon hat: Dort können alle Teilnehmenden ein Foto von sich machen lassen, das ausdrucken und zusammen mit Kontaktmöglichkeiten an eine Wand pinnen.
Ich finde, dass das ein schönes Angebot ist. Bei größeren BarCamps dauert es viel zu lang, wenn sich alle Anwesenden vorstellen. Mit so einer Vorstellungspinnwand könnte man das gut ersetzen. Online sieht das mit Mural gut aus. Beim WebMontag habe ich dafür Padlet benutzt.
Keine zentrale Streamplattform
Mit Blick auf die explodierende Teilnehmerzahl war es sicher eine kluge Entscheidung, kein eigenes, zentrales Videokonferenzsystem anzubieten. Das gab es auch. Aber es galt das Prinzip: „Bring your own Videokonferenz“. Statt alle Vortragenden in ein System zu zwingen, konnten alle nutzen, was sie kennen und was durchs Firmen-VPN gelassen wird. Wer nicht wusste, woher er eine Videokonferenz bekommt, bekam vom Team eine Konferenz bei Zoom gestellt.
Hier hat man sich voll auf die Sessiongebenden eingelassen. Für die Teilnehmenden bedeutete das unter Umständen, sich ein halbes Dutzend Videokonferenz-Clients zu installieren.
Zum Auftakt gab es eine zentrale Videokonferenz mit ca. 300 Teilnehmenden – von 2500 Angemeldeten. Das zeigt auch, dass das BarCamp online anders wahrgenommen wurde als ein normales BarCamp. Die wenigsten werden den ganzen Tag von Session zu Session gewechselt sein.
Wer wollte, konnte seine Videokonferenz aufzeichnen und sie dem YouTube-Kanal des Design Thinking Teams zur Verfügung stellen. Dort kann man sich jetzt ein Dutzend Sessions auch nachträglich noch anschauen.
Auswertung steht noch aus
In Kürze will sich das Team noch um eine Auswertung kümmern, um für zukünftige BarCamps zu lernen. Stephan Raimer denkt zum Beispiel darüber nach, auf BarCamps zukünftig immer einen Raum anzubieten, in dem Menschen über das Internet mitmachen können.
Alles in Allem hat das BarCamp statt der üblichen ca. 5000€ nur 1000€ gekostet – bei 25x mehr Teilnehmenden.
Das ganze Gespräch mit Stephan Raimer gibt es auf YouTube zum Nachschauen.
Video
Erst wenn Du das Video startest, werden Daten an YouTube übermittelt. Siehe Datenschutzerklärung
Links
- Website: Design Thinking Camp
- Anmeldung per HeySummit
- Vorstellungsrunde mit Mural oder Padlet
- Chat per Fleep oder Mattermost
- Aufzeichnungen bei YouTube
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