Über 15 Jahre wurde uns eingeredet, dass Umweltverschmutzung ein Ergebnis indivuellem Fehlverhaltens ist, beschwert sich Sascha Lobo in seiner Rede auf der re:publica in diesem Jahr. Er weißt da auf einen wichtigen Punkt hin und der geht über die Frage des Umweltschutzes hinaus.
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Vereine, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien – viele gesellschaftliche Zusammenschlüsse verlieren seit Jahrzehnten Mitglieder. Das hat nicht nur etwas mit dem demografischen Wandel zu tun. Das hat nicht nur damit zu tun, dass es weniger junge Menschen gibt.
Das hat vor allem auch damit zu tun, dass sich viele Menschen keine Kompromisse mehr machen wollen. Ganz nach dem FDP-Motto „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sind sie lieber nicht in einer Organisation als in einer, mit der sie nicht 100 Prozent einer Meinung sind.
Das aber macht uns insgesamt schwach im Gegensatz zu denen, die sich leisten können, Leute dafür zu bezahlen, ihre Meinung zu vertreten. Unternehmen können sich PR und Reklame leisten. Jeder normale Mensch kann nur mit Familie und Freunden reden.
Activism work. So act.
– Greta Thunberg
Alle Mögliche haben wir zu einem individuellen Problem gemacht, mit dem jeder selbst fertig werden muss. Der Umweltschutz ist nur das deutlichste Beispiel. Wenn Greta Thunberg sinngemäß sagt: „Aktivismus funktioniert. Also: Arsch hoch!“, dann geht es ihr nicht darum, dass wir selbst darauf achten, dass wir kein Einwegplastik benutzen.
Es geht nicht darum, bei der Cocktail-Bestellung darum zu bitten, keinen Plastikstrohhalm zu verwenden. Es geht nicht darum, dass wir mit allerlei Transportbehältern in den Supermarkt gehen und versuchen den Plastikkram gleich dort zu lassen und nur die Produkte mitzunehmen. Es geht nicht um Insektenhotels und Vogelhäuschen. Es geht nicht um Shampoo und Haarseife. Oder darum, ob man mal häufiger das Auto stehen lassen sollte.
Es geht darum, dass Gesetze geändert werden und dass sich für uns alle das Leben ändert, ohne dass wir bei jeder Entscheidung überlegen müssen, ob das jetzt ok ist oder nicht. Wir sind doch als einzelne Menschen gar nicht in der Lage, uns über alles ständig zu informieren. Warum dürfen Unternehmen überhaupt Produkte herstellen, die zum Wegwerfen gedacht sind, wenn es gleichwertige Produkte gibt, die man wiederverwerten kann?
Die EU hat zumindest angefangen Einwegplastik zu verbieten. In anderen Ländern sind Plastiktüten schon lange verboten und man kommt auch dort zurecht. Ich war neulich im örtlichen Plattenladen und hab mir eine Platte gekauft. Da gabs die Tüte nur auf Nachfrage dazu. Ehrlich gesagt, hatte ich damit nicht gerechnet und brauchte eine Tüte. Wenn das einfach überall so wäre, würde ich mir das doch vorher überlegen und immer einen Beutel oder so dabei haben.
Es ist aber nicht nur der Umweltschutz. Auch wenn es um Arbeitnehmerrechte, um Rente um Gesundheitsversorgung und Alterspflege geht – in vielen Bereichen könnten Parteien, die sich für eine Stärkung dieser Systeme einsetzen, sich viel besser durchsetzen, wenn nicht so viele Leute meinen würden, sie kämen besser zurecht, wenn ihnen keiner reinredet. Wenn sie selbst ihre Gehälter und Arbeitsbedingungen aushandeln, wenn sie sich privat versichern und lieber 3,50€ mehr Netto haben als dass sich die Politik um ein System kümmert, bei dem alle etwas davon haben.
Ich hab das schon immer gedacht, dass wir gemeinsam bessere Lösungen für viele hinbekommen, als wenn sich jeder selbst drum kümmert. Ich habe mich schon immer darüber geärgert, dass es viele Menschen vielleicht auch so sehen aber auf keinen Fall so leben. Ich bin Sascha Lobo aber dankbar dafür, dass er mich noch einmal darauf gestoßen hat, dass dieser Zeitgeist nicht von alleine gekommen ist.
Dieser Zeitgeist ist das Ergebnis von Jahrzehnten neoliberaler Propaganda. Doch diese neoliberalen Rezepte scheitern immer stärker an den Herausforderungen der Zukunft. Es wird uns keine unsichbare Hand des Marktes retten. Wenn wir kein Plastik mehr in den Meeren wollen, muss es einfach jemand verbieten. Wir als Bürgerinnen und Bürger müssen das nicht nur beim Rotwein mit Freunden gut finden, sondern uns dafür zusammentun und Organisationen unterstützen, die das auch wollen – selbst wenn sie von 10 Dingen, die ich will nur 5 so vertreten, wie ich das für richtig halte. Vielleicht lieg ich selbst ja bei dem Rest falsch.
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