Kein Twitter und kein Facebook, habe ich mir für diesen Urlaub vorgenommen und direkt die Apps gelöscht. Dieses Büchlein von Internet-Pionier Jaron Lanier kam mir da in der Bahnhofsbuchhandlung ganz recht. Stephan hatte es mir schon empfohlen und sogar Schlecky Silberstein hat es gepriesen!
Jaron Lanier erklärt zunächst, dass der Mensch empfänglicher für schlechte Nachrichten ist. Wir nehmen schlechte Nachrichten besser war und sie wirken länger nach als positive Meldungen.
Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter verteilen mit Likes und Retweets eigentlich gute Gefühle. Doch der erste kritische Kommentar oder der nächste Post mit schlechten Nachrichten und das gute Gefühl verschwindet und wir ärgern uns.
Dass wir trotzdem dabei bleiben, obwohl wir uns so oft ärgern, erinnert Jaron Lanier an Süchtige. Auch die gieren nicht nur nach dem High, sondern nach dem Gegensatz aus High und Low.
Zum Dritten stellt Jaron Lanier fest, dass der Mensch sich in der sozial-medialen Gemeinschaft oft nicht mehr wie ein selbst denkendes Induviduum verhält, sondern in der „Rudel-Modus“ umschaltet und dann oft ein Arschloch ist.
Weil diese Dinge ohnehin schon im Menschen angelegt sind, werden sie von den Algorithmen von Facebook und Twitter gefördert. Die versuchen herauszufinden, auf was wir stärker reagieren – was uns mehr interessiert. Nach diesem Maßstab interessieren wir uns besonders für schlechte Nachrichten, über die wir uns aufregen können, und Leute dann unsere Aufregung liken.
Da Facebook und Twitter aber nicht nur für uns Nutzer arbeiten, sondern vor allem für die Werbekunden, optimieren Facebook und Twitter unsere Timelines zusätzlich noch so, dass wir maximal auf die Reklame reagieren.
Das Gleiche gilt übrigens für die Suchergebnis-Listen von Google und für die Daten, die die Facebook-Tochter WhatsApp mitsammelt. Sie sind Teil der „Verhaltens-Manipulationsmaschinen“, wie Jaron Lanier sie nennt.
Journalismus muss so produziert werden, dass er in einer solchen Umgebung funktioniert und es funktioniert nur noch Journalismus, der sich auf diese Regeln einlässt. Ein Qualitätsverlusst, wie Jaron Lanier beklagt. Statt sich darauf zu verlassen, dass die reklame-optimierten Timelines und Suchergebnisse einem relevante Artikel zuweisen, sollte man sich lieber drei Nachrichtenseiten suchen, sich dort einlesen und sie abonnieren, um die journalistische Arbeit zu unterstützen.
Jaron Larnier kritisiert die Netzwerke, weil sie aus kommerziellem Interesse unser Verhalten manipulieren und wir uns auch noch oft schlecht dabei fühlen. Er sagt, die einzige wirklich effektive Lösung sei, dass wir unsere Social-Media-Accounts löschen. Denn nur, wenn das Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, wird sich etwas ändern. Auf staatliche Regulierung will er nicht warten.
Es gibt ja eine Menge Leute, die Jaron Lanier nicht mögen, weil er so ein Schwarzseher geworden ist. Ich habe mir aber schon länger zur Angewohnheit gemacht, nicht nur Dinge zu lesen, die meine Weltsicht bestätigen. Und letztlich lehnt er auch nur Geschäftsmodelle ab, die die Menschen ausforschen, um sie für Reklame zu manipulieren. Dieses Geschäftsmodell, das sich langsam auch auf Uhren und Heimassistenten ausbreitet. Internet-Technologie an sich – da bleibt er Fan.
Viele der positiven Effekte, die man den Netzwerken zuschreibt, kann man auch anders erreichen. Wir brauchen Facebook nicht, um Gleichgesinnten für seltene Themen zu finden. Das konnte schon das World Wide Web sehr gut.
Es mag an der deutschen Übersetzung liegen oder daran, dass der plaudernde Ton voller Anspielungen nicht so einfach zu übersetzen ist. Vielleicht ist das Buch auch schlicht nicht gut geschrieben. Ich hatte jedenfalls meine Probleme den roten Faden zu erkennen. Manchmal bin ich refelrecht über die Übersetzung gestolpert. Trotzdem habe ich das Buch schnell durchgelesen und einige interessante Gedanken aufgeschnappt.
Also: Mein Lesetipp – wenn auch vielleicht besser im Original.
Schreibe einen Kommentar