„Die Vereinigten Staaten von Europa waren gestern – die Europäische Republik das ist morgen,“ sagte die Politikwissenschaftlerin und Publizistin Ulrike Guérot auf der re:publica15. In Ihrem Buch „Warum Europa eine Republik werden muss“ hat sie diesen fundamentalen Umbau der europäischen Idee umfangreich skizziert.
Die Europäische Union (EU), wie wir sie heute kennen, ist alles andere als perfekt. Sie ist das, was die Mitgliedsstaaten aus ihr gemacht haben. Zunächst haben sie sie mit großer Überzeugung aufgebaut – als Friedensprojekt, als Wirtschaftsprojekt und als Demokratisierungsprojekt. Dass die Staaten eines Tages überflüssig werden könnten, war immer Teil der Vision – konsequent vorangetrieben haben die Staaten das aber besonders in den letzten Jahrzehnten nicht mehr.
Der EU fehlt das demokratische Fundament
So ist die EU geworden, was sie heute ist: Vor allem ein Markt, der Demokratie und Bürger unter Druck setzt – ein technokratisches Gebilde, dem die demokratische Fundierung fehlt. Ulrike Guérot denkt Europa von seinem Fundament her: Wie müsste Europa politisch organisiert sein, damit es demokratisch ist und alle etwas davon haben?
Sie sagt, die Staaten sind hierfür überflüssig. Die Nationalstaaten seien ohnehin eine relativ junge Erfindung der Geschichte und während die Identifikation der Menschen mit ihrer Region relativ groß sei, verbinden sie mit der Nation nur wenig. Ist der Bayer dem Österreicher nicht viel näher als dem Mecklenburger?
An die Stelle der heutigen Nationalstaaten treten im Europa der Zukunft die Regionen und die Metropolen. Da das dann 60–80 wären und die Einheiten viel kleiner, könne auch niemand mehr Euopa als Ganzes dominieren – so wie es heute Deutschland macht.
Freiheit Gleicheit Brüderlichkeit
Die natürliche Form für dieses Konstrukt sei die Republik mit ihren Werten, wie sie seit der Franzsösischen Revolution gedacht wird. Bürgerinnen und Bürger begegnen sich auf Augenhöhe, um gemeinsam zu entscheiden, was richtig ist. Daraus leitet sich einiges ab. Zum Beispiel, dass so eine Republik keine allzu großen Vermögensunterschiede zulassen könne, damit sich die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich auf Augenhöhe begegnen können. Brauchen wir dazu ein Grundeinkommen?
Ulrike Guerot umreißt so nicht nur den theoretischen, politischen Aufbauen einer europäischen Republik, sondern beschreibt auch, was das alles nach sich zieht. Vieles davon ist angenehm Skizzenhaft: Welche Rolle spielt das Digitale in der Euroäpischen Republik? An diesen losen Enden kann das Buch wirklich inspireren. Ja, man kann sich vieles vorstellen – das ist die Stärke des Buches.
Gerade bei der Lektüre des ersten Teils – der Analyse des gegenwärtige Zustands der EU – habe ich befürchtet, dass dieses Buch auch den Rechtspopulisten in die Hände spielen könnte und für die vielleicht so eine Art Bibel werden könnte. Immerhin weißt Ulrike Guérot selbst darauf hin, dass die französischen Rechtspopulisten mit Marine Le Pen ebenfalls auf die Stärke des Begriffs „Republik“ setzen und versprechen den Bürgern das Land wieder zurück zu geben.
Die vorgeschlagene Auflösung der Nationalstaaten aber dürfte es uninteressant machen und wenn Ulrike Guérot dann im dritten Teil auch noch ein weiblicheres Europa fordert und mehr Yoga, dann dürfte diese Klientel nicht mehr dabei sein. Das klingt jetzt schräger als es tatsächlich ist. Vielleicht gibt es dieses Kapitel tatsächlich vor allem, um nicht die falschen Leute anzulocken, vielleicht soll es aber auch noch einmal das alte Denken aufbrechen und die Freude am neuen Denken wecken.
Als Termin der Gründung der Europäischen Republik hat Ulrike Guérot den 8. Mai 2045 vorgesehen. Bis dahin müssen wir noch einiges tun!
Wer auf der Suche nach einer wunderbaren Utopie ist, sollte „Warum Europa eine Republik werden muss“ lesen. Das Buch ist im Dietz Verlag erschienen, hat 308 Seiten inklusive 40 Seiten Endnoten und kostet 18,- €.
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Links
- Deutschlandfunk: Utopie einer europäischen Republik
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