Viel Geld soll jetzt in Open-Source fließen. Europäische Union, eine Reihe Mitgliedsländer, der Bund und neun Länder haben angekündigt, stärker auf Freie Software zu setzen. Was macht das mit den Projekten?
Es wird immer wieder behauptet, Europa bekäme es nicht hin, einen Tech-Konzern aufzubauen, wie man sie aus den USA und China kennt. Ich halte das gar nicht für erstrebenswert. In viel zu vielen Branchen gibt es nur noch eine Hand voll Konzerne, die die Weltmärkte dominieren. Das ist ist nicht einmal marktwirtschaftlich.
Wenn die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten es jetzt richtig machen, kann eine dezentrale, starke IT-Branche in Europa entstehen, die viel besser zu uns passt, die auf Freier Software und Datenschutz basiert.
Open-Source IST professionell
In vielen Köpfen ist Open-Source noch Hobby-Frickelei von Nerds im Keller. Sie ignorieren, dass große Teile des Internets auf freier Software basieren. Vom Server-Betriebssystem über die Programmiersprachen und die Datenbanken bis hin zu den Applikationen.
Das Open-Source-Projekt, an dem ich vor 15 Jahren mitgearbeitet habe, hat damals schon mit Model-Driven Development, Unit-Testing und Continuous Integration gearbeitet. Alle haben aus ihren Bereichen mitgebracht, was state-of-the-art war. Und das war ein rein von einer Community getragenes Projekt.
Zu Freier Software gehört eine Community. Allerdings werden heute bereits viele große Open-Source-Projekte von Unternehmen voran getrieben: Sei es Automattic bei WordPress, Mozilla beim Firefox, Canonical, Suse oder RedHat bei Linux oder die Nextcloud GmbH bei Nextcloud. Google und Microsoft liefern die größten Beiträge zu Open-Source in Codezeilen gemessen. Manche dieser Unternehmen pflegen ihre Community besser als andere.
Neben den Unternehmens-nahen Projekten gibt es noch viele kleine und mittlere, rein community-getriebene Projekte. Und es gibt die wichtigen, aber komplett verwaisten Projekte.
Unternehmen und Open-Source
Eine Firma als Ansprechpartner macht es für Auftraggeber natürlich einfacher, Geld in Open-Source zu leiten. Die Unternehmen nehmen den Auftrag und das Geld an und bezahlen ihre Programmierer*innen für die Arbeit. Aber was macht dann die Community?
Es könnte der Eindruck entstehen, dass sich das Unternehmen die Taschen vollstopft und die Community nur nützliche Idioten sind, die das Projekt mit Leben erfüllen und kostenlos arbeiten.
Wie können Unternehmen externe Beiträge ebenso fair bezahlen, wie die interne Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Ist das überhaupt möglich?
Schwierig wird es auch immer dann, wenn die Unternehmen ein zentraler Anbieter für Leistungen im Zusammenhang mit der Software sind. Mapillary zum Beispiel hat als Unternehmen eine Datenbank für georeferenzierte, freie Fotos betrieben. Eine Alternative zu Google Streetview – bis es 2020 von Facebook aufgekauft wurde. Was passiert, wenn Facebook Jitsi kauft und Google kauft Nextcloud?
Reine Community Projekte
Was macht ein rein Community-getragenes Projekt mit Geld? Ich habe mich einige Jahre lang bei einem Open-Source-Projekt um Community, Support und Dokumentation gekümmert. Wir haben damals einen Verein gegründet, um überhaupt irgendwie mit Geld umgehen zu können. Nachdem die Serverkosten bezahlt waren, wussten wir wenig mit mehr Geld anzufangen. Es hätte dann immer genug Geld sein müssen, um wirklich jemanden fest anzustellen und programmieren zu lassen.
Ein Mittelweg war bei uns, dass einzelne Community-Mitglieder hier und da mal kleine Aufträge bekommen haben, um bestimmte Elemente des Projektes weiterzuentwickeln. Alle haben ihre Projektarbeit querfinanziert, indem sie ihren Lebensunterhalt mit Kundenprojekten verdient haben, um dann in der Freizeit an dem Open-Source-Projekt zu arbeiten.
Es gibt Beispiele für Unternehmen, die im Kundenauftrag Änderungen an Open-Source-Projekten vorgenommen haben und dann Probleme damit hatten, ihre Code-Änderungen ins Projekt zu bekommen. Unternehmen, die etwas in einem Open-Source-Projekt erreichen wollen, müssen gut vernetzt sein in dem Projekt, um dort einen Einfluss zu haben – um nicht quer zur Community Dinge zu entwickeln. Dann ist man schon wieder dicht am Unternehmens-nahen Open-Source-Projekt.
Geld allein hätte unserem Projekt nicht so sehr geholfen. Geholfen hat eher indirekte Unterstützung. Ein Unternehmen hat uns eine Namen-Findungsprozess spendiert. Ein anderes hat das Essen bei einem Community-Treffen bezahlt. Google hat unser über den „Summer of Code“ ein Projekt finanziert, das ein Student dann für Geld umgesetzt hat.
Allerdings führt das alles nur dazu, dass eine Community und das Projekt lebendig ist und nicht, dass etwas Bestimmtes passiert, was sich jemand mit Geld ausgedacht hat.

Verwaiste Projekte
Und dann gibt es noch diese Projekte, für die es viel zu wenig Aufmerksamkeit gibt. Projekte aber, die oft so grundlegende Funktionen bereitstellen, dass viele andere Projekte sich auf sie verlassen.
Im Jahr 2014 wurde das deutlich, als ein Fehler in OpenSSL viele Websites in aller Welt angreifbar gemacht hat. OpenSSL kümmert sich um die Verschlüsselung auf allen möglichen Servern. Um OpenSSL haben sich aber nur zwei Typen namens Steve gekümmert.
Ein wichtige Sache, die Geld in Open-Source bewirken könnte ist, dass solche Projekte Unterstützung bekommen. Irgendeine Stelle muss sich mal überlegen, welche Freie Software wirklich wichtig für viele andere Projekte ist und die gezielt bei der Sicherheit unterstützen.
Ich könnte mir vorstellen, dass es schon solche Stellen gibt. Aber so etwas muss noch stärker gemacht werden. Vielleicht könnte staatliches Geld gezielt dafür sorgen, dass solche Projekte betreut werden.
Meine Fragen an Dich
Am Ende möchte ich hier kein Fazit ziehen. Ich bin mit meinen Gedanken noch nicht fertig. Vielmehr würde ich mich darüber freuen, von Dir zu hören: Wie wird sich Open-Source durch Geld verändern? Wie sollte es sich verändern? Wer muss dafür was machen?
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