„Jeder Verleger der Welt sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet“, sagte Spinger-Chef Mathias Döpfner in einem Interview mit dem US-Fernsehen im Jahr 2010. „The iPad – it changed everything“, heißt es immer wieder in Jarett Kobeks Roman „I Hate the Internet“. Wenn Mathias Döpfner in den USA irgendwie relevant wäre, würde er darin sicher vorkommen.
Die Handlung von „I Hate the Internet“ ist vernachlässigbar, das gibt Jarett Kobeks Erzähler sogar zu. Er sei kein guter Roman im klassischen Sinn. In einem Kapitel erzählt er sogar, dass hier eigentlich alle Ideen zusammengeführt werden sollten. Der erste Entwurf sei aber zu schlecht gewesen, deswegen erzähle er jetzt nur, um was es da ging. Deswegen fällt es mir schwer, die Handlung zusammenzufassen, aber:
Ein paar mittel-alte Menschen leben in San Francisco und gehören dort eher zum alten Schlag der Künstler, die die Stadt berühmt gemacht haben. Zusammen mit ihren Läden, Cafes und Restaurants werden sie nach und nach aus der Stadt vertrieben – durch zu hohe Mieten, aber auch durch den durchgreifenden Kulturwandel, den die Tech-Industrie in ihrem Schlepptau bringt.
Die WELT vergleicht den streitbaren Jarett Kobek mit Michael Moore und Michel Houellebecq und nennt das Buch einen „300-Seiten-Wutanfall“. Mich erinnert dieser Collagen-artige Stil an Douglas Couplands „Generation X. Und so wie Couplands Roman von 1991 könnte auch Jarett Kobeks Buch Spiegelbild einer Generation werden. Dabei dient die Handlung rund um die Protagonisten nur als Aufhänger für eine polemische Abrechnung mit dem Internet von heute.
„Follow the Money“
Mittlerweile ist das Internet durchkommerzialisert, wie Jarett Kobeks Erzähler feststellt. Egal ob Hate-Speech oder Revenge-Porn – eine Hand voll US-Konzerne schafft es immer, mit allem ein paar Milliardäre noch reicher zu machen. Das ist auch noch nie anders gewesen. Auch die Comic‑, Film- und Musik-Branche habe seit jeher die Kreativen über den Tisch gezogen, um Milliarden zu scheffeln. Dabei kann man mit etwas anderem als Reklame im Internet kein Geld verdienen – Mit Reklame und den Geräten, die von Sklaven in China hergestellt werden.
All die Helden des Silicon Valley sind Fans der Science-Fiction-Philosophin Ayn Rand, die Bücher darüber schrieb, dass reiche Menschen es verdient haben reich zu sein und arme Menschen es verdient haben elendig zu verrecken – „to die in the gutter“, wie Jarett Kobeks Erzähler immer wieder betont. Trotzdem ruhen die Hoffnungen der halben Welt auf ihnen, wenn sie die Dritte Welt mit Facebook-Zugängen versorgen, Tesla die Umwelt rettet und Google den Tod besiegt.
Das alles wird in dieser Deutlichkeit selten gesagt. „I Hate the Internet“ ist eine kenntnisreiche, und so grundlegende Kritik an den herrschenden Zuständen im Internet, wie ich sie selten gelesen habe – dabei macht die Lektüre wirklich Spaß. Mathias Döpfner empfiehlt „I Hate the Internet“ ganz sicher nicht – ich schon: Setzt Euch einmal am Tag hin, um zu beten und dankt Jarett Kobek für sein Buch. Und dann müssen wir uns ernsthaft darüber unterhalten, welche Art Internet wir wollen.
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