„Im Internet steht alles!“ Begeistert erzählt mir der 13-jährige Sohn von Bekannten, wie er erst kürzlich die Antworten für seine Hausaufgaben im Internet fand. Einfach so. So wie er „alles“ betont, meint er wirklich ALLES. Ich nicke zustimmend und denke: „Wenn Du die Kommunalwahl-Ergebnisse für Schleswig-Holstein von 1948 bis 1955 findest, sagst Du bescheid, ja?“ Ich lasse den Jungen in seinem Glauben.
Es gibt unglaublich viel Wissen im Internet. Viel mehr als es in der Heider Stadtbücherei gab. Das war die größte, mir zugängliche Wissensquelle, als ich 13 Jahre alt war. Und da musste man echt stöbern, wenn man etwas wissen wollte. Heute kann man mit ein wenig Recherche sehr viele Informationen sehr einfach bekommen. Zum Teil gehen die Informationen, die man finden kann in eine unglaubliche Tiefe. Auf Google Books gibt es vollständige, uralte Bücher. Das muss für Historiker eine großartige Möglichkeit sein. Haben Sie schon einmal in einem Adressbuch von 1914 nachgeschaut, wer in Ihrer Wohnung gewohnt hat? Das kann man machen. In meinem Haus haben damals lauter Beamte gewohnt.
Auf der anderen Seite ist so viel Interessantes nicht im Internet zu finden: All die historischen Vereine, die jedes Jahr neue Bücher zur Stadtgeschichte veröffentlichen. Aufwendig – zum Teil über Jahre – graben Historiker Geschichten aus und fassen sie in ein schönes Buch. Das ist dann das Weihnachtsgeschenk für alle alten Einwohner der Stadt. „Hier, guck mal, erinnerst Du Dich,“ heißt es dann unter dem Weihnachtsbaum. Nach einem Jahr ist alles Geld, das man damit verdienen konnte, verdient und diese Geschichten sind wieder genauso vergraben wie vorher – nur umsortiert: Vom Fotoarchiv und vom Zeitungsarchiv in die Bibliothek.
Ich kann verstehen, dass ein Buch mit dem eigenen Namen darauf seinen Reiz hat. Das hätte ich auch gerne mal. Wer aber heute will, dass auch 13-jährige etwas davon haben, der sollte zumindest nach einiger Zeit seine Erkenntnisse auch frei im Internet veröffentlichen.
Diesen Text habe ich als Kolumne für shz.de geschrieben. Er ist offline in den Zeitungen, aber auch im Internet erschienen.
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