Mich stört an der Diskussion über „Künstliche Intelligenz“, dass es die totale Goldgräber-Stimmung ist. Es geht alleine ums Geld. Man schaut nie darauf, welche Gesellschaft wir wollen. Was wir wirklich brauchen – im Kampf gegen den Klimawandel, für sozialen Zusammenhalt, im demographischen Wandel. Was wir nicht wollen, weil es bspw. unser Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
„Jetzt wird sich die Geschwindigkeit der Digitalisierung noch einmal erhöhen – in 5 Jahren wird alles anders sein,“ hieß es gestern in einem Gespräch über „Künstliche Intelligenz“. Ich habe schon zu oft gedacht, was in 5 Jahren alles möglich sei. Bisher ist es immer ganz anders gekommen, weil die Technik nicht hält, was sie verspricht und doch alles schwieriger ist. Am Ende wird Fortschritt von vielen ganz normalen Menschen gemacht und nicht von den Vordenker*innen.
„Technologie ist weder gut noch böse.
Sie ist aber auch nicht neutral.“
Wer kritische Fragen zum Hype um „Künstliche Intelligenz“ stellt, wird als Maschinenstürmer abgetan. Nein, die Ludditen haben die Maschinen nicht zerschlagen, weil sie sie loswerden wollten, sondern als Zeichen an deren Eigentümer, dass sie über die Bedingungen der Nutzung reden wollten: Mitbestimmen über die Produktionsmittel; mitverdienen an den Gewinnen aus ihrer Arbeitskraft. Wem gehören die KI-Systeme? Zu welchen Bedingungen können wir sie nutzen?
Abhängig von den globalen Konzernen
Der Rat einer Expertin für „Künstliche Intelligenz“ war in dem Gespräch, jetzt Bots auf Basis von OpenAI zu bauen. Das sei ein Zukunftsmarkt – der OpenAI-Store sei bereits angekündigt. Ich halte den Tipp bei der derzeitigen Organisation für eine Falle. Es ist wie bei Amazon: Der Konzern stellt den Markt zur Verfügung und verfügt als einziger über die volle Transparenz. Was sich gut verkauft, das kopiert Amazon und verkauft es selbst. Alles, was im OpenAI-Store gut funktioniert, wird sicher Teil von Microsoft Office 365. So wie alles, was gut im Play-Store läuft, von Google selbst angeboten wird.
Die neoliberale Laissez-faire-Wirtschaftspolitik der letzten 40 Jahre hat dafür gesorgt, dass eine Hand voll Tech-Konzerne jede Entwicklung dominieren. Die haben unglaubliche finanzielle Mittel angehäuft. Die haben allein mehr als eine Billiarden Dollar in Offshore-Konten geparkt. Apple, Microsoft, Cisco, Oracle und Alphabet gehört mehr als 80% davon.
Wir sehen eine Spaltung in arm und reich auch bei den Unternehmen. Es soll mehr als eine Milliarde Dollar kosten, die nächste Generation Sprachmodelle zu trainieren – allein für Rechenleistung und Strom! Da können Staaten nicht mehr mithalten. Alle Unternehmen in Schleswig-Holstein sind dagegen kleine Krauter und selbst EU-weit kann da kein Konzern mehr mithalten. Die sollen stattdessen ihre Geschäftsmodelle auf den Technologien der Monopolisten aufbauen.
Techno-Optimismus wie vor 20 Jahre
Bis vor Kurzem war der Ruf der globalen Konzerne ziemlich ramponiert. Es erschienen Artikel darüber, dass die Liebe zum Silicon Valley dahin sei. Jetzt ist die Liebe wieder da. Was könnte schief gehen, wenn man sich auf Google, Meta und Microsoft verlässt? Die wollen doch nur unser Bestes!
Microsoft drückt gerade Produkte auf OpenAI-Basis in all seine Software. Wenn ich mir anschaue, was der Copilot in Word alles kann, dann ist das beeindruckend. Ich glaube allerdings nicht, dass der in der Breite dazu führen wird, dass Menschen ihre Arbeit schneller machen können. Es wird den üblichen Rebound-Effekt geben. E‑Mail hat nicht dafür gesorgt, dass ich meine Post elektronisch bekomme, sondern dass ich jeden Tag einen übervolles Postfach habe. Der Copilot wird nicht dazu führen, dass Leute ihre Texte schneller fertig haben und dann früher Feierabend machen können. Sie werden viel mehr Texte produzieren.
Bei dem Gespräch gestern wurde ein Device gehypt, bei dem durchgehend Kamera und Mikrofon eingeschaltet sind, um seine Träger*in zu unterstützen und bspw. live zu übersetzen. Das geht nur, wenn wir unser Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aufgeben. Wenn wir es akzeptieren, dass wir immer über überall mehrfach gefilmt und abgehört werden und das alles bei dieser Hand voll Konzerne zusammenläuft.
„Der Klimakollaps hat begonnen.“
– UN-Generalsekretär António Guterres
Ich glaube, man kann mit „Künstlicher Intelligenz“ interessante Sachen machen – als Nerd finde ich das super faszinierend. Aber: Wem gehören diese Produktionsmittel? Was ist mit unseren echten Problemen: Der Klimakollaps hat begonnen. Der Ostseesturm vor einige Wochen wird erst der erste gewesen sein. Das wird jetzt häufiger passieren.
Gleichzeitig fehlt es überall an Personal: In Kitas, Schulen, in der der Pflege, es fehlen Busfahrer*innen und Zugbegleiter*innen – und das wird noch mehr werden. In den nächsten 10 Jahren werden 7 Millionen weniger Arbeitskräfte im deutschen Arbeitsmarkt tätig sein als heute. Ich glaube nicht, dass aus der Kita zukünftig eine KI-ta wird. Google macht halt keine Wärmeplanung. Microsoft baut keine bezahlbaren Wohnungen.
Lasst uns darüber reden, was unsere Probleme sind; was Lösungen sind. Und wenn dann „Künstliche Intelligenz“ dabei eine Rolle spielt, dann ist es ok. Dann muss die aber auch gesellschaftlich kontrolliert sein.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Monopole zerschlagen werden müssen.
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