Bis Ende des Jahres müssen laut Onlinezugangsgesetz (OZG) alle Verwaltungs-Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger auch online verfügbar sein. Doch es hakt bei der Umsetzung. Was schief läuft und was passieren muss, erklären der Rheinland-Pfälzische Digitalminister Alexander Schweitzer und sein CIO/CDO Fedor Ruhose im Tagesspiegel Background.
Der Bund und die Länder haben die Umsetzung unter einander aufgeteilt – die Arbeit soll nicht doppelt oder gar 17 mal gemacht werden, deswegen gilt das Prinzip „Einer für Alle“ (EfA).
Es hakt hinten und vorne
„Auf der Zielgeraden des OZG sorgt das EfA-Prinzip für reichlich Fragezeichen bei Ländern und Kommunen. Aus ‚Einer für Alle’ droht ‚Enttäuschung für alle’ zu werden.“ Konkret heißt das derzeit:
- Von den 575 Verwaltungsleistungen hatte die Verwaltung Ende letzten Jahres überhaupt erst 48 so weit entwickelt, dass man sie testen konnten.
- Ob die Dienste dann auch in jeder Kommune vor Ort funktionieren, kann oft erst bei der technischen Bereitstellung festgestellt werden.
- Bei der Umsetzung der Dienste hat offenbar niemand systematisch auf Datenschutz und IT-Sicherheit geachtet.
- Damit die Kommunen die Dienste überhaupt nutzen dürfen, müssen die Länder aktuell 16 unterschiedliche Regelungen treffen.
- Keiner weiß, was die Dienste dann überhaupt kosten sollen. Ohne konkrete Zahlen können die Kommunen das Geld gar nicht einplanen.
Kurz: Gibt bisher keine fertigen Dienste. Die Dienste, die getestet werden können, sind handwerklich schlecht gemacht. Sie dürfen aus rechtlichen Gründen noch nicht eingesetzt werden. Man weiß nicht, was sieht kosten sollen und deswegen können sie noch gar nicht zur Anschaffung eingeplant werden. Eine desaströse Bilanz, wenige Monate vor Ablauf der Frist.
Das Projekt muss sich ehrlich machen
Alexander Schweitzer und Fedor Ruhose schlagen fünf Maßnahmen zur Rettung des Projektes vor:
- Der Bund übernimmt nach Möglichkeit die Kosten oder sieht zumindest zu, dass die Kosten für die Kommunen kalkulierbar werden.
- Eine ehrliche Roadmap.
- Das Vergaberecht muss vereinfacht werden.
- Roll-out über einige digital-affine Beispiel-Kommunen.
- Datenschutz- und Sicherheits-Audit für alle Dienste.
User Experience in der öffentlichen Verwaltung
Auf LinkedIn schlägt Robin Pfaff vom ITV.SH als sechsten Punkt „ein gemeinsames Design-System inkl. Pattern Library für Deutschland, das einen Standard für UX [User Experience] setzt und damit die Integration der Komponenten und Dienste in die Infrastruktur des jeweiligen Bundeslandes oder der jeweiligen Kommune vereinfacht“ vor.
Gemeinsam mit Lutz Lungershausen von der Kieler Kommunikationsagentur New Communication hat er sich über dieses Thema intensiv Gedanken gemacht. Es ist sicher eine sinnvolle Grundlage, wenn auch eine gute User-Experience „einer für alle“ macht.
Open-Source ist Kultur
Wenn diese Dienste in Form von Open-Source-Software umgesetzt werden, muss die Verwaltung lernen, was die Open-Source-Kultur ausmacht, um voll davon zu profitieren. Wie ich neulich schon schrieb: Es geht nicht nur um Software, die einfach nur ihren Zweck erfüllt. So wie der König, der sich wohlwollend um seine Untertanen kümmert. Es geht nicht um offenen Quelltext – es geht um Teilhabe in einem demokratischen Staat und um die Demokratisierung der Verwaltung.
Wie wird die Verwaltung bis Ende 2022 digital? Wahrscheinlich gar nicht. Für Bund und Länder ist ein ein riesiger Schritt, bei dieser Mammut-Aufgabe zusammenzuarbeiten, wie noch nie zuvor. So ein Projekt hat es noch nicht gegeben. Es ist ein riesige Chance, daraus für die Zukunft zu lernen. Allerdings braucht es jetzt offenbar einen weiteren riesigen Schritt.
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