Im Internet kursieren wilde Gerüchte zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Man dürfe bald nicht mehr fotografieren. Jeder Sportverein braucht jetzt einen Datenschutzbeauftragten usw. Selbst Menschen, die es bisher gut mit dem Datenschutz meinten, sind aufgebracht. Und was kommt von den zuständigen Stellen? Schweigen.
Oliver, bitte entschuldige, dass es Dich vorhin erwischt hat. Seit Wochen ist die Aufregung um die Datenschutzgrundverordnung groß. Zwielichtige Berater aber auch seriöse Medien verbreiten immer neue Behauptungen – eine unglaublicher als die andere. „Wenn es unglaublich klingt, ist es meistens nicht wahr,“ hat sich für mich als ganz gut Richtschnur erwiesen, wenn mal wieder eine neue „Sauerei aus Brüssel“ durchs Netz gejagt wird. Was gerade zur DSGVO läuft, geht echt auf keine Kuhhaut. Als Fan eines vernünftigen Datenschutzes und generell der Vernunft, versuche ich hier und da, die größten Irrglauben richtig zu stellen und stattdessen Infos zu verbreiten, die auf Fakten basieren und hilfreich sind.
„Telefonberatung zur DSGVO zurzeit eingeschränkt“
Und dann fängt auch noch jemand, der im „Digitalisierungsministerium“ arbeitet an und weiß offenbar auch nicht, wie er mit dem neuen Datenschutz umgehen soll. Es ist natürlich nicht Deine Aufgabe, das zu wissen. Aber wer sollte diese Informationen denn eigentlich sonst haben, wenn nicht das Digitalisierungsministerium?
Wir haben jetzt einen Digitalisierungsminister in einem Digitalisierungsministerium, das extra für ihn geschaffen wurde. Wir haben ein Digitalisierungskabinett mit dem sich der Ministerpräsident schmückt. Wir haben eine Digitalisierungsstaatssekretärin im Bundesinnenministerium. Wir haben eine Landes- und eine Bundesdatenschutzbeauftragte. Von niemandem habe ich irgendeinen konstruktiven Beitrag in dieser Situation wahrgenommen.
Nichts vom Ministerpräsidenten. Von Robert Habeck gab es nicht einmal eine philosophische Betrachtung der DSGVO. Staatssekretärin Dorothee Bär hält den Datenschutz generell für etwas aus dem 18. Jahrhundert. Dass man von der Bundesdatenschutzbeauftragen nichts mehr hören wird – damit habe ich mich abgefunden. Und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) weißt auf darauf hin, dass es zurzeit nur eingeschränkte Telefonberatung zur DSGVO leistet. Das praktische ist ja, dass aus Datenschutzgründen sowohl das ULD auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz Marit Hansen auf keinem Social-Media-Kanal vertreten ist. Insofern ist das ULD ohnehin nur per Telefon erreichbar.
Ich verstehe nicht, warum da keiner reagiert! Warum gibt es dazu keine Kommunikation? Warum erklärt ein Digitalminister nicht, wie das mit der DSGVO gemeint ist? Warum kann ein Ministerpräsident den Leuten in Vereinen und Verbänden keine Sicherheit geben? Warum beantwortet das ULD jede eingehende Anfrage einzeln? Gibt es in dem Bereich gerade Dringenderes zu tun? Warum ziehen ULD und Digitalministerium da nicht an einem Strang? Warum kommt aus Berlin nichts?
Einer, der sich tatsächlich bemüht, die Zweifel zu zerstreuen ist Jan Philipp Albrecht, der als Abgeordneter im Europäischen Parlament federführend an der Ausarbeitung des DSGVO beteiligt war und Robert Habeck demnächst als Digitalminister ablösen soll. Und auch SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken tut ihr bestes, Fakten zu vermitteln.
Yannick Haan schreibt heute bei welt.de:
„Im Jahr 2018 geht es beim Datenschutz nicht nur darum, ob uns passgenaue Werbung geschaltet wird – sondern ob wir unsere demokratische Grundordnung bewahren wollen.“
Das sehe ich auch so – das ist die Fallhöhe, die die Datenschutzgrundverordnung meiner Meinung nach hat. Und deswegen habe ich auch keine Lust, das zerreden zu lassen. Ich habe aber den Eindruck, mit wenigen Einzelkämpferinnen allein da zu stehen.
Deswegen, Oliver, habe ich nicht Dich gemeint. Ich meine auch nicht all die anderen super Leute, die ich beim ULD und im Digitalisierungsministerium kenne. Ihr macht alle einen tollen Job und ich lerne sehr gerne von Euch! Aber die Institutionen haben bei diesem Thema komplett versagt und ich hoffe, dass das in Zukunft besser wird. So ein Desaster muss aufgearbeitet werden.
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