Wer ist dieser Mann, der unser Bundeskanzler ist? Wofür steht er? Der ZEIT-Journalist Mark Schieritz hat recherchiert und darüber ein Buch geschrieben.
Irgendwie ist Olaf Scholz vor allem für einige Umstrittene Dinge bekannt: G20, WireCard, Cum-Ex. Was er sonst so gemacht hat, ist weniger bekannt. Dabei ist das nicht eben wenig in seiner Jahrzehnte langen politischen Karriere. Wusstest Du, dass Olaf Scholz der taz damals den rettenden Tipp gegeben hat, sich zu einer Genossenschaft umzufirmieren?
Dass er mal als Juso sehr weit links in sein politisches Leben gestartete, ist noch einigermaßen bekannt und gelegentlich wird ihm vorgeworfen, dann immer weiter in die Mitte gerückt zu sein. Laut Mark Schieritz hat das mit seiner praktischen Erfahrung in der Politik zu tun. Wirklich helfen konnte er den Menschen immer nur mit kleinen Schritte und nicht mit der großen Revolution.
Schon als junger Anwalt für Arbeitsrecht hat er vielen Menschen in der Wendezeit geholfen, wenn deren alten DDR-Betriebe geschlossen wurden. Schon damals war ihm klar, dass man das so nicht hätte machen dürfen, wie Helmut Kohl die Wirtschaft im Osten abgewickelt hat.
SPD-Generalsekretär
Später dann als Gerhard Schröder seine Agenda 2010 verkündigte, mit der vor allem die hohe Arbeitslosigkeit bekämpft werden sollte, hat Olaf Scholz das als Generalsekretär der SPD verteidigt. Aber schon damals war er für einen Mindestlohn. Von dem wollte Gerhard Schröder nichts hören und wenn ich mich recht erinnere, wollten die Gewerkschaften zuerst auch keinen Mindestlohn.
Schon früh, als Arbeitsminister 2007–2009, hat sich Olaf Scholz aber auch für Korrekturen an der Sozialgesetzgebung eingesetzt. Das müsse möglich sein, denn die wirtschaftliche Lage hatte sich verbessert. Als die Bankenkrise ausbrach und die Realwirtschaft bedrohte, weitete Olaf Scholz das Kurzarbeitergeld aus und rettete so hunderttausende Stellen und versetzte die Wirtschaft in die Lage, nach der Krise wieder schnell durchzustarten. Ein Vorgehen, das weit gelobt wurde.
Bürgermeister von Hamburg
Als Bürgermeister von Hamburg begann er wieder mit dem Bau von Häuser. Als andere immer noch über schrumpfende Städte sprachen, sagte Olaf Scholz „Wir dürfen nie aufhören, Wohnungen zu bauen“ und er schaffte es, dass das vollkommen verfahrende Projekt „Elbphilharmonie“ zu einem würdigen Abschluss gefunden hat.
Olaf Scholz liest viel und saugt die Informationen auf. Mich hat Olaf Scholz dann überzeugt, als er in einer Rede als Kanzlerkandidat das Buch „Vom Ende des Gemeinwohls“ von Michael Sandel empfahl:
Michael Sandel „hat ein Buch geschrieben über die ‚Tyranny of Merit’, das jetzt auch auf Deutsch erschienen ist und das mich unglaublich fasziniert hat. Da geht es darum, dass er sagt, das kann doch nicht angehen, dass irgendwie in unserer Gesellschaft das Gefühl entstanden ist, dass nur diejenigen zählen die bestimmte Berufe ergreifen und die sehr viel Geld verdienen. Denn eine Gesellschaft in der diejenigen, die so viel Geld verdienen, glauben, dass sie das alleine verdient hätten und dass sie mehr wert sein als diejenigen die einen anderen beruflichen Lebensweg beschritten hätten, eine solche Gesellschaft kann nicht zusammenhalten. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind nicht bei denjenigen die sich für etwas Besseres halten. Und das ist mir ganz wichtig als eine große sozialdemokratische Zukunftsvorstellung dafür zu sorgen, dass das wieder besser wird.“
Ich habe mich gefragt, was das für ein Buch ist, dass ihm so wichtig ist, dass er es in einer Rede erwähnt, es gekauft und gelesen und dann gedacht, dass der nicht so ganz falsch sein kann, wenn das für ihn ein Kompass ist.
Mark Schriritz geht natürlich auch auf die eingangs erwähnten umstrittenen Vorgänge ein. Von denen bleibt relativ wenig übrig. Das Geld geklaut bei WireCard und CumEx haben andere. Bei WireCard hatte Olaf Scholz gerade erst das Finanzministerium übernommen und es im Anschluss umgebaut, damit sich so ein Fall nicht wiederholen kann. Bei CumEx und der Warburg-Bank hat er sich sogar nach Angaben des Warburg-Chefs nicht einmischen wollen und die Entscheidung der zuständigen Behörde überlassen. Inzwischen hat die Bank den gesamten Schaden zurück gezahlt.
Olaf Scholz ist kein Mann der großen Reden, sondern des praktischen Handelns. Er spricht so lange nicht öffentlich über seine Pläne, bis er sie umsetzen kann. Das lässt ihn manchmal zögerlich wirken. Aber so hat er es mit dem Bürgergeld, der globalen Mindeststeuer gemacht oder mit dem Klimaklub. Beide Errungenschaften sind nach meiner Wahrnehmung öffentlich vollkommen unterschätzt. Vielleicht liegt es daran, dass er keine lässigen Reels dazu auf Insta gestellt hat.
Das Buch ist nicht nur die Geschichte von Olaf Scholz, es ist auch ein Stück Geschichte des Landes und ein Ausblick auf die Herausforderungen der Zukunft. Die Geschichte hin zum Neoliberalismus und wieder weg davon.
Erschienen ist das Buch ein paar Tage vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine und kann damit die Politik der „Zeitenwende“ mit all ihren zusätzlichen Herausforderungen noch nicht bewerten. Trotzdem ist – oder gerade deswegen – ist es eine gute Lektüre. Es lohnt sich, ein bisschen mehr über den Bundeskanzler zu wissen.
„Olaf Scholz – Wer ist unser Kanzler?“ ist 2022 bei den Fischer Verlagen erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 20 € – als eBook 16,99 €. Es ist aber auch als eBook bei der Stadtbücherei Kiel verfügbar.
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