Sophie Passmann hat sich mit 15 weißen Männern darüber unterhalten, was den „alten, weißen Mann“ ausmacht – mit dabei sind unter anderem Micky Beisenherz, Kai Diekmann, Robert Habeck, Kevin Kühnert, Sascha Lobo und Jörg Thadeusz. Herausgekommen ist dabei ein kluges, unterhaltsames Interview-Buch.
Es ist der Luxus des weißen Mannes, dass er in der Regel nicht über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert wird. Er ist nicht „der Schwarze“, „der Ausländer“, „der Moslem“, sondern immer der Thomas oder der Michael.
Umso mehr tut es ihm offenbar weh, wenn er dann doch mal in eine Sack mit Anderen geschmissen wird – mit all den anderen „alten, weißen Männern“. Alles was auf die zutreffen soll, soll plötzlich auch auf den Thomas und den Michael zutreffen.
Ein Klischee wie viele andere
Dabei ist natürlich nicht jeder Mann, der alt und weiß ist, ein alter, weißer Mann – das ist gerade der Witz an diesen Zuschreibungen: sie sind immer unfair. Sie sind immer Stereotype, Klischees oder Vorurteile. Unter denen haben die weißen Männer bisher eher selten gelitten, weil sie es waren, die die Welt eingeteilt haben.
Deswegen hat Sophie Passmann auch nicht den alten, weißen Mann getroffen – aber einige Männern, die mehr in diese Kategorie fallen als andere. In den Interviews geht es auch nicht so sehr darum, wer nun ein alter, weißer Mann ist, oder welche Eigenschaften ihn von anderen unterscheidet. Es geht darum, wie Frauen und Männer gleichberechtigt zusammenleben und was dazu noch zu machen ist.
Ein Schlichtungsversuch
Das Buch richtet sich nicht an Feminismus-Profis, sondern an Leute, die damit bisher weniger zu tun hatten. Den Verriss in der taz finde ich deswegen auch nicht fair. Das Buch ist nicht der neue Pflock, den der Feminismus in der Debatte einschlägt, sondern – wie der Untertitel sagt – „ein Schlichtungsversuch“.
Letztlich lebt eine Debatte nicht nur von der Kontroverse, sondern auch davon, dass man wieder Brücken baut. Sonst ist es unmöglich das Lager zu wechseln.
Das Buch ist unterhaltsam, weil Sophie Passmann die Interviews sehr charmant führt und kommentiert. Immer wieder stellt sie ihre Interviewpartner in ihren Gedanken auf eine Klippe, schubst sie runter und fängt sie unten sanft auf. Selbst die unsympathischeren Typen können damit leben, was dabei herausgekommen ist. Das kann man zu seicht finden und mehr Kontroverse und Widerworte fordern. Aber als Leser bin ich ja auch nicht ganz dumm und kann mir meinen Teil denken.
Mir hat das Buch jedenfalls Spaß gemacht – auch und vielleicht gerade als Hörbuch, gelesen von der Autorin. Ich habe einige interessante Gedanken mitgenommen und einige der Interviewpartner etwas näher kennengelernt. Ich frage mich nur, wo das Interview mit dem Politikwissenschaftler Werner Patzelt geblieben ist, von dem man in den Rezensionen woanders noch lesen kann.
„Alte, weiß Männer – Ein Schlichtungsversuch“ hat 288 Seiten, ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet 12 €.
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