Snapchat, WhatsApp, Facebook Messenger liegen im Trend – Ich selbst merke, dass ich mich viel lieber in kleinen, geschlossenen Gruppen auf Threema austausche als offen auf Facebook oder Twitter. Der Grund ist gar nicht mehr der Schutz der Privatsphäre, sondern vielmehr: Ich hab keine Ahnung, ob ich da überhaupt noch mit Menschen oder nur noch mit Bots diskutiere.
Jeden Tag muss ich bei der Arbeit Facebook Accounts sperren, die sich daneben benehmen. Oft tauchen neue Accounts mit dem gleichen Namen am nächsten Tag wieder auf. Oder die Accounts ähneln sich im Profilbild und in der Art der Namen. Wenn Accounts in eine meiner Gruppen wollen, die keinen einzigen gemeinsamen Freund bereits in der Gruppe haben, lass ich die warten – oft sind die Accounts nach ein paar Tagen gelöscht. Immer häufiger habe ich Fälle auf Twitter, in denen Accounts mit null bis zehn Followern besonders schnell und lautstark antworten. Zum Teil haben sich die Eigentümer nicht einmal die Mühe gemacht, dem Account ein Profilbild zu geben.
Angeblich hat Facebook mittlerweile 1,5 Milliarden „aktive Nutzer“. Hinter wie vielen dieser Accounts einzelne Menschen stecken, gibt Facebook nicht bekannt. Bei welt.de aber gibt es einen interessanten Artikel über den „Shitstorm vom Fließband“:
„In den sozialen Netzwerken haben sich sogenannte Social Bots längst unter die Nutzer gemischt. Sie betreiben eigene Profile mit Bild, Namen, ein paar Angaben. Sie interagieren mit den Menschen. Manchmal verbreiten sie schlicht Spam, manchmal sind sie dafür da, die Nutzer auf bestimmte Seiten zu locken, um Klickzahlen hochzutreiben. Manchmal unternehmen sie mehr oder weniger offensichtlich den Versuch, Themen zu setzen und Meinungen zu beeinflussen. Es ist vergleichsweise einfach, schlichte Bots zu erstellen, die entsprechende Software dafür gibt es inzwischen im Netz. Noch einfacher ist es, sich die automatisierten Fans, Likes und Follower für Facebook, Twitter, Instagram oder YouTube direkt zu kaufen. Sie werden gleich zu Tausenden ausgeliefert: 1000 falsche Follower gibt es schon für weniger als 30 Euro.“
Die Vermutung liegt nahe, dass ein signifikanter Teil der Accounts inzwischen fake ist und automatisiert betrieben wird. Was die Frage aufwirft, warum Facebook vehement für seine Klarnamenspflicht streitet, all diese Fakeaccounts aber unangetastet lässt.
Diese Bots werden immer cleverer
Microsoft hat kürzlich ein Experiment auf Twitter mit einem Bot abgebrochen, den User mit Meinungen füttern konnten. Innerhalb eines Tages wurde der Bot zum Rassisten. Zukünftige Versionen wird das nicht mehr so schnell passieren.
Bots können natürlich total nützlich sein, wenn automatisiert Anfragen von Kunden beantwortet werden können. Es ist großartig, wenn mein Chat-Gegenüber tatsächlich über alles nötige Wissen verfügt. Deswegen soll der Facebook-Messenger demnächst einen eigenen Bot-App-Store bekommen – Chat-Bots dürften dadurch Mainstream werden.
Armeen und Gegenarmeen von Bots
Wenn ich mir aber vorstelle, dass das öffentliche Web überrannt wird von Armeen und Gegenarmeen von Bots, die auf Themen aufspringen und versuchen, sie im Sinne ihrer Eigentümer zu beeinflussen, dann frage ich mich, wo da noch der Platz für Menschen sein soll.
Es ist schon schwer genug, Menschen zu überzeugen. Muss ich mich dann an Gesprächspartnern abarbeiten, die niemals ihre Meinung ändern werden? Diskussionen mit Accounts, von denen ich nicht weiß, ob ein echter Mensch dahinter steckt, muss ich dann nicht mehr führen. Dann unterhalte ich mich wieder nur noch mit echten Freunden und Bekannten und höchstens noch mit deren Kontakten.
Hilft nur noch der Rückzug ins Private?
Wie werden wir in Zukunft damit umgehen? Wir haben heute schon das Problem mit der Desinformation aus russischen Trollfabriken – Was passiert, wenn noch mehr Seiten für kleines Geld im großen Stil derartig Stimmungsmache betreiben?
Wenn wir nicht wollen, dass Menschen sich nur noch mit dem Personalausweis verifiziert öffentlich äußern können, verlieren öffentliche Foren ihren Sinn. Die Kommentarspalten von Medienseiten muss man dann nicht einmal mehr versuchen zu moderieren. Moderation ergibt nur Sinn, wenn sie Menschen betrifft, die bereit sind, ihr Vorgehen zu ändern. Ziehen sich die Menschen dann in nicht-öffentliche Teile des Netzes zurück?
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