„Der Medien-Regenbogen hat mehr Farben bekommen,“ schreibt der Herausgeber Cherno Jobatey, zum Start der deutschen Huffington Post. Und schon rein optisch muss man sagen: Es sind keine hübschen Farben. In den USA ist die Huffington Post eine der erfolgreichsten Nachrichtenseiten überhaupt. Nun versucht Gründerin Arianna Huffington den Erfolg in Deutschland zu wiederholen.
Die Huffington Post ist im Prinzip ein für jedermann offenes Mehrautorenblog. Jeder kann dort schreiben und wenn es zu eigenen Recherche nicht reicht, dann verlinkt man einfach auf Quellen woanders. Der Unterschied zu den meisten Mehrautorenblogs ist, dass einige Personen damit tatsächlich Geld verdienen. Denn bei allem Enthusiasmus für die „spannenden Reise“ und die „veränderte Medienökonomie“ – Herr Jobatey muss seine Turnschuhe auch irgendwie bezahlen.
Vielleicht hat Self-Made-Journalist Richard Gutjahr recht, wenn er vermutet, die Huffington Post sei ein dankbares Spielfeld für diejenigen, die ausprobieren wollen, was richtig Aufmerksamkeit im Netz zieht. „Gerade für Anfänger oder Umsteiger können große Player wie die Huffington Post eine fantastische Schule sein, um den Online-Beat kennenzulernen, um die Tricks und Kniffe der Branche zu verstehen, sich selbst einen Namen zu machen,“ schreibt er, winkt aber für sich selbst ab: „Vor 5 Jahren hätte ich mir das durchaus vorstellen können. Inzwischen kann ich es mir zum Glück leisten, mich selbst auszubeuten.“
What the Fuck!? Die Inhalte
Was die Huffington Post zur Zeit auf der Startseite anbietet, ist genau das: Effekthascherei und Skandalisierung. Das gibt es bei BILD schöner und… ja, ich muss es sagen: In besserer Qualität. Denn während BILD oft über Triviales berichtet, stehen dahinter immer noch bestimmte Maßstäbe. Die Huffington Post bietet dagegen allerlei irrelevanten Scheiß in wirrer Mischung. Mir ist da zum Beispiel ein Artikel aufgefallen: „SPD Politiker will Waffenrecht verschärfen“. Es gibt überhaupt keinen Anlass für dieses Thema. Im Moment geht es in Berlin um Koalitionsgespräche und da sind ganz andere Themen auf dem Plan. Dann wird da ein Ex-Bundestagsabgeordneter gefragt. Dieter Wiefelspütz ist zum Bundestagswahl gar nicht wieder angetreten. Der hat also überhaupt nichts zu sagen zu dem Thema. Da könnte man genauso gut jedes andere SPD-Mitglied befragen. Doch dann habe ich unter dem Artikel einen Link zu Spiegel Online gefunden. „So haben andere berichtet,“ und ich dachte, dass es vielleicht doch einen aktuellen Anlass gibt. Aber der verlinkte Artikel ist von 2009…
Auf diese Art scheinen fast alle Artikel Journalismus zu simulieren. Stefan Niggemeier hat da noch ein paar Beispiele zusammengetragen. Die Huffington Post nennt es deswegen auch nicht Journalismus, sondern „Engagement“. Nach dem Erfolg der „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“ würde mich eigentlich auch ein Erfolg der Huffington Post nicht mehr überraschen. Die Menschen scheinen Medien am ehesten zu vertrauen, wenn sie die eigenen Vorurteile bestätigen. Und die skandalös schlechte Art, wie dort über Politik geschrieben wird (Beispiel der aktuelle Aufmacher „Deutsche glauben, dass Merkel eher vor der SPD einknickt als vor den Grünen“), passt zu vielem, was mir als Netzkommentare über den Weg läuft.
Trend verpasst?
Anderseits vermute ich, dass die Huffington Post zu spät in Deutschland startet. In den USA ging es 2005 los – da gab es noch kein Facebook und kein Twitter und ich erinnere mich auch noch, wie freie Redaktionssysteme damals aussahen. Heute gibt es eine Million Möglichkeiten, sich online auszudrücken, die viel besser zu den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen passen könnten als die Huffington Post. Heute gibt es automatische Aggregatoren wie Google News, Rivva, Filtr, Virato oder 10000 Flies, die Inhalte zusammentragen und nach Beliebtheit ordnen. Da muss man schon Aufmerksamkeit die einzige Motivation sein, um den ganzen Tage bei Spiegel Online auf Reload zu drücken, damit man bei der Huffington Post einen reißerischen Hinweis auf den neusten Artikel veröffentlichen kann.
Allerdings möchte ich den Mut loben, sich mit so einem Konzept in den Markt zu wagen. Es wird immer von hauptberuflichen Bloggerinnen und Bloggern gesprochen – die allerwenigsten aber machen echt etwas daraus. Und ein Geschäftsmodell, von dem mehr als eine Person leben kann, probiert niemand.
Wie gesagt: Im Kern ist die Huffington Post ein Mehrautorenblog. So etwas betreiben wir in Kiel seit fast 15 Jahren und unter wechselnden Namen, heute als Fördeflüsterer. Auch da haben sich Generationen ausprobieren können – einige haben tatsächlich danach Volontariate bekommen und eine Karriere in den Medien begonnen. Eine Zeitlang konnten sich davon sogar zwei Leute finanziell über Wasser halten. Und es gab auch den Versuch die Autoren zumindest ein wenig zu bezahlen. Das hat dann aus vielerlei Gründen nicht geklappt und heute funktioniert es als Verein und ehrenamtlich seit fünf Jahren wesentlich stabiler als in den acht Jahren davor. Wer tatsächlich das Schreiben, das Bloggen ausprobieren möchte, sollte sich so ein Projekt aussuchen und da testweise mal einen Artikel abgeben. Auch beim Landesblog freuen wir uns übrigens immer über neue Leute. Dann werden von Deiner Arbeit zumindest nicht noch die Turnschuhe von Cherno Jobatey bezahlt.
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