Eine ganze Nachrichtensendung gesprochen im generischen Femininum. Die österreichische Nachrichtensendung ZIB2 hat zum Weltfrauentag zur Abwechslung mal die Männer mitgemeint. Daran hat sich niemand gestört. Anders beim gesprochenen Genderstern – der keinen Pause zwischen „Politiker“ und „-innen“. Der Journalist Armin Wolf hat seine Erfahrungen mit dem Experiment verbloggt.
Armin Wolf zitiert den Wiener Philosophie-Professor Konrad Paul Liessmann:
„Ich empfinde diese Präsentation von moralischer Eitelkeit in öffentlichen Medien auch aus ästhetischen Gründen als sehr unangenehm, anbiedernd, geradezu ekelhaft.“
Dieser Kommentar hat mir klargemacht, was das Problem einiger Leute mit dem * ist. Es ist nicht das Ungewohnte. Es ist nicht, dass sie es schlechter lesen können. Nein, Sie WISSEN, dass es moralisch richtig ist zu gendern, sie wollen es aber trotzdem nicht. Etwas moralisch Falsches nennt die Philosophie „verwerflich“. „Bigott“ nennt sie es, wenn Menschen trotz besseren Wissens verwerflich handeln.
Meine Praxis
Mir selbst geht das * noch nicht so gut über die Lippen. Auch wenn es natürlich alle hinbekommen sollten, die auch „Spiegelei“ mit Pause aussprechen können. Wenn ich schreibe, überlege ich mir, für wen ich schreibe. Ich habe bei manchen Themen keine Lust, dass die Form Teile der Leserschaft vom Inhalt ablenkt. Bei einem ausgewählt progressiven Publikum ist der Stern eine pragmatische Lösung. „Schleswig-Holsteiner*innen“ ist viel einfacher als „Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner“.
Wenn das Publikum gemischt ist, versuche ich den Stern zu meiden – überhaupt gefällt mir der Punkt besser: „Politiker.innen“. Ich finde es aber dann besser, „Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner“ oder „Menschen in Schleswig-Holstein“ zu schreiben. Ich finde es auch gut, einfach zwischen generischem Maskulinum und Femininum zu wechseln, wie auch Armin Wolf es beschreibt: „Ärztinnen und Pfleger“ – wobei man bei „Pflegern“ auch „Pflegekräfte“ schreiben kann.
Leben und leben lassen
Vor allem: Sollen doch alle ausprobieren, wie es besser geht. Niemand wird zu irgendwas gezwungen. Ein paar Studierende müssen das angeblich in der Uni. Unis sind dazu da, so etwas auszuprobieren. Freiheit von Forschung und Lehre. Ansonsten kann jeder so sprechen und schreiben, wie er oder sie will.
Die Doppelform „Bürgerinnen und Bürger“ hat sich weitestgehend durchgesetzt – trotz der gleichen Widerstände in den 90ern wie heute gegen das Sternchen. Einst wurde versucht, Fremdwörter durch deutsche Wörter zu ersetzen. Diese Eindeutschungen wie „Tunke“ statt „Soße“ oder „Fernsprecher“ statt „Telefon“ haben sich nicht durchgesetzt. Und trotzdem dürfen auch heute noch alle schreiben, wie sie wollen: „Bürger“, „Tunke“, „Soße“, „Sauce“, „Telefon“, „Fernsprecher“, „Handy“ – alles geht. Alle verstehen es.
ICH persönlich finde eine angemessene Empörung über Business-Bullshit viel wichtiger. Ich hoffe, darauf können wir uns committen.
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