18 Filme in vier Tagen: Ein Film Donnerstag, einer Sonntag und der Rest dazwischen. Okay, es waren auch eine Reihe Kurzfilme dabei, aber 12 Filme waren es auch so. Bei meiner ersten Berlinale vor zwei Jahren waren es nur sieben Filme. So oder so: Es hat sich gelohnt.
Eröffnungsgala – fast live
Ich war das erste Mal im Eröffnungsfilm im Friedrichstadt-Palast. Dort wird die Eröffnungsgala aus dem Berlinale-Palast etwas zeitversetzt übertragen. Im Berlinale-Palast sitzen die ganzen Promis. Dort moderiert Anke Engelke und allerlei wichtiger Leute halten Reden.
Nach Ende der Übertragung kommt der Festival-Direktor Dieter Kosslick mit ein paar Schauspielern aus dem Eröffnungsfilm auf die Bühne des Friedrichstadtpalasts und die erzählen da noch ein paar Dinge zu dem Film. Die Schauspieler wirken auf der Bühne viel kleiner als vorher auf der großen Leinwand.
Django
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Der Eröffnungsfilm ist „Django“ über den französischen Sinto Jazzmusiker Django Reinhardt. Der Film erzählt die Zeit während der deutschen Besatzung Frankreichs. Django Reinhardt hat keine Ahnung von Hitler und den Nazis – er macht einfach sein Musik. Doch Jazzmusik passt nicht zur Kultur der neuen Herrscher und der Sinto erst recht nicht. Er macht sich auf den Weg, in die Schweiz zu fliehen.
Eine klassische Filmbiografie ist „Django“ allerdings nicht. Die Personen bleiben eindimensional. Django ist, wie Django ist. Alle anderen sind praktisch nur Statisten. „Django“ ist vielmehr ein Film über Flucht und Vertreibung. Was muss passieren, damit Menschen sich auf die Flucht begeben? Was müssen sie in Kauf nehmen und was riskieren sie für ein Leben in Frieden und Freiheit? Ohne Hilfe würde es niemand über den See in die sichere Schweiz schaffen. Bei dieser Perspektive ist es nicht überraschend, dass der Film die diesjährige Berlinale eröffnet hat.
13 von 15 Punkten
Como Nossos Pais
Morgens um 10 Uhr startete dann der Berlinale Freitag mit dem brasilianischen Film „Como Nossos Pais“, in dem Rosa, Ende 30, verheiratet, zwei Kindern ihr bisheriges Leben in Frage stellt, als ihre Mutter ihr eröffnet, dass ihr Vater nicht ihr Vater sei. Ist der Job noch der richtige? Ist der Mann noch der richtige? War es das jetzt? Die Geschichte wird sehr leicht und schön erzählt. Ein guter Start in den Tag.
9 von 15 Punkten
Karera ga Honki de Amu toki wa
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Eines Tages ist Tomo allein. Die allein erziehende Mutter der Elfjähigen hat sich mal wieder aus dem Staub gemacht. Ihr Onkel nimmt Tomo bei sich auf. Der lebt mit der Transfrau Rinko zusammen. Rinko kümmert sich liebevoll um Tomo. Die drei schaffen sich ein echtes Zuhause. Doch ganz so idyllisch bleibt es natürlich nicht.
„Karera ga Honki de Amu toki wa“ ist ein Film, so schön, so fröhlich, so traurig wie ein Ghibli-Film und manchmal sieht er sogar so aus wie ein Ghibli-Film.
12 von 15 Punkten
Berlinale Shorts
Ja. Die Kurzfilme. Zum Teil harte Kost. „The Boy from H2“ konnte eigentlich nur verstehen, wer die Situation in Hebron kennt. Die zwei erklärenden Sätze vorweg rechen dafür kaum. An die anderen Filme habe ich wenig Erinnerung.
6 von 15 Punkten
Tiger Girl
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Ich habe ein neues Wort gelernt: „Mumblecore“ – Das Wort bezeichnet ein Genre von Indepententfilmen. „Charakteristisch für Mumblecore sind kleine bis sehr kleine Produktionsbudgets, improvisierte Dialoge, die Nutzung von Innenräumen, die Auftritte von Laienschauspielern und Do-it-yourself-Ästhetik.“
„Tiger Girl“ soll angeblich Mumblecore sein. Bis auf die Dialoge war der Film aber ziemlich hochwertig produziert. Die Kampfszenen waren besser choreografiert und gefilmt als in den meisten deutschen Filmen, die ich kenn.
Zur Handlung: Margarete fällt durch die Anufnahmeprüfung bei der Polizei und beginnt daraufhin eine Ausbildung bei einem Sicherheitsdienst. Als Magarete von Typen in der U‑Bahn bedrängt wird, schreitet „Tiger Girl“ ein und vermöbelt sie. Die beiden jungen Frauen freunden sich an. Gemeinsam gehen sie auf immer extremere nächtliche Touren, verprügeln Leute, brechen ein und stehlen.
Ich muss sagen, ich habe die ganze Zeit einen besseren Film gesehen, als er am Ende ist. Zu Anfang gab es verschiedene Hinweise darauf, dass Tiger Girl nur in Margaretes Kopf existiert – so wie Tyler Durden in Fight Club. Leider ist dem nicht so. Alles ist echt und der Film damit reichlich platt.
6 von 15 Punkten
Ri Chang Dui Hua
Letzter Film des Tages ist „Ri Chang Dui Hua“ („Small Talk“). Eine Dokumentation über die Mutter Anu der Filmemacherin Hui-chen Huang. Anu lebt als Tomboy in Taiwan. Früh in eine arrangierte Ehe vermittelt, bekommt sie zwei Töchter und flieht mit ihnen vor dem gewalttätigen Mann. Auch Missbrauch spielt eine Rolle. Für Hui-chen Huang ist ihre Mutter nicht erreichbar. Sie leben zusammen, haben sich aber nichts zu sagen. Dabei spielt auch die Vergangenheit eine Rolle.
10 von 15 Punkten
Testről és lélekről
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Mária ist die neue Qualitätsmanagerin im Schlachthaus. Mit Menschen kann sie nicht so gut. Auch Endre, ihr Vorgesetzter ist eher der verschlossene Typ. Doch sie stellen eine Seelenverwandtschaft fest. „Testről és lélekről“ erzählt eine zarte Liebesgeschichte auf ziemlich perfekte Art. Alle Personen haben eine Geschichte. Auch die poetischen Bild des Hirschpaares haben eine konkrete Funktion im Film und sind nicht nur Schmuckwerk zum Nachdenken. Ein wunderschöner Film. Ich wette, der gewinnt den goldenen Bären.
14 von 15 Punkten
At Elske Pia
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Schon wieder Mutter und Tochter: Die 60-jährige geistig beeinträchtigte Pia lebt mit ihrer alternden Mutter Guittou in einem Bauernhaus auf der dänischen Insel Langeland. Pia lernt Jens kennen. Zusammen verbringen sie viel Zeit, fahren gemeinsam nach Kopenhagen.
Der neuseeländische Filmemacher Daniel Borgmann hat sich bei der Arbeit mit Pia Skovgaard viel Zeit genommen und die Filmhandlung in ihren normalen Tagesablauf eingebettet. Das ist dann manchmal langatmig und wenn man Pia minutenlang beim Duschen zusehen soll, stellt sich tatsächlich die Frage nach Missbrauch. In der anschließenden Fragerunde zeigt sich Daniel Borgmann in dieser Sache reflektiert, Zweifel blieben aber.
7 von 15 Punkten
Emo – The Musical
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Bereits 2014 gab es einen Kurzfilm mit dem Titel „Emo – The Musical“. Damals wurde er prämiert. Mit diesem Schwung hat Regisseur Neil Triffett einen Langfilm aus dem Thema entwickelt. Dabei erzählt „Emo – The Musical“ so etwas wie die Geschichte von Romeo und Julia als Coming-of-Age-Geschichte. Ethan ist Emo und Trinity Christin. Beide sind in die Verpflichtungen ihrer jeweiligen Peers verstrickt, bis sich am Ende natürlich alle frei davon machen und so sein können, wie sie sind. Dazwischen gibt es ein paar fluffige Emo-Musical-Songs und viel Spaß.
10 von 15 Punkten
Butterfly Kisses
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In „Butterfly Kisses“ hängen Jake, Kyle und Jarred in ihrem Sozialbau-Viertel in London rum und sie tun, was Teenager so tun: Feiern und über Sex philosophieren. Jake aber hat ein dunkles Geheimnis, das er nicht einmal seinen Freunden erzählen kann.
Raphael Kapelinski erzählt den Film in starken schwarz/weiß-Bildern. Schon früh ahnt man, was es ist, das Jake verbirgt. Doch Raphael Kapelinski führt den Zuschauer subtil bis zur Offenbarung des Geheinmisses.
9 von 15 Punkten
When the Day Had no Name
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2012 wurden bei Skopje die Leichen von vier Teenagern gefunden. In Mazedonien hat das damals für großes Aufsehen gesorgt. Mit diesen vier Toten endet der Film. Bis dahin erzählt er die Geschichte von vielen Jugendlichen auf dem Balkan: Kaputte Familien, Armut und Perspektivlosigkeit.
Ziemlich deprimierend für den letzten Film am Sonnabend.
6 von 15 Punkten
El teatro de la desaparición
Unser letzter Film auf dieser Berlinale am Sonntag Morgen. 11 Uhr ist aber eine wesentlich zivilere Anfangszeit. Trotzdem: „Dieser Film ist die gerechte Strafe dafür, dass ich nicht rechtzeitig am Computer war.“ Denn eigentlich hatten wir einen anderen Film zum Abschluss geplant. Der war aber bereits ausverkauft.
„El teatro de la desaparición“ besteht aus drei Teilen mit unschiedlich verwackelten Filmschnipseln aus der Demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea aus Marokko und vielen anderen Orten auf der Welt. „Wäre die Welt eine Bühne, das wären ihre Darsteller: Spinnen, Steinschlag, Massagegeräte, Bagger, Sichtbeton, Schweine Schnauze an Schnauze. Es gibt keine Hauptrolle im Theater des Verschwindens,“ heißt es in der Beschreibung auf der Berlinale-Homepage. Wie dem auch sei – ich habe noch ein wenig Schlaf nachgeholt.
5 von 15 Punkten
Fazit
„Komm, lass uns ins Kino gehen und träumen“, sagt Django Reinhart in „Django“. Die Berlinale ist eine wunderbare Gelegenheit für so eine Traumreise. Ich habe viel über die Verhältnisse zwischen Mütter und Töchtern gelernt und das sie in Brasilien, in Taiwan, in Japan oder wo auch immer, überall die gleichen Probleme haben.
Familien sind merkwürdige Organisationen: Um dazu zu gehören muss man nicht verwandt sein – es reicht, wenn Menschen sich um einander kümmern und Verantwortung für einander übernehmen. Verwandte kann man aber nicht einmal dann loswerden, wenn sie scheiße sind. Dann bleiben sie weiterhin die Scheiß-Verwandten, die dann auch noch weg sind.
Ich habe gute Geschichten erzählt bekommen. Ich habe schöne Bilder gesehen. Ich habe verstörende Geschichten erzählt bekommen und ich habe hässliche Bilder gesehen. Manchmal im selben Film.
Fünf Filme an einem Tag sind echt ein krasser Marathon. Das haben wir an zwei Tagen hintereinander gemacht. Davon möchte ich abraten. Vier Filme pro Tag sind das Maximum. Fangt nicht zu früh an und macht nicht zu lange!
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