Hinter jeder neuen Idee lauern schmierlappige Anwälte, die mit einem automatisierten Brief mitverdienen wollen. Abmahnungen sind so etwas wie das Angstthema des Internets. Ob das zu recht so ist, darüber habe ich mit einem gesprochen, der sich selbst „Abmahn-Anwalt“ nennt.
Stephan Dirks hat sich vor ein paar Wochen sehr geärgert: Im Netz kursierte das Gerücht, es drohten Abmahnungen gegen Näherinnen und Näher, die mit selbstgenähten Geschichtsmasken für ein wenig mehr Sicherheit in der Corona-Krise sorgen wollten. Was fiele diesen Anwälten ein!? Er sah seinen gesamten Berufsstand auf der Anklagebank.
Dabei stellte der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht schon nach kurzer Recherche fest: Es hat überhaupt keine Abmahnungen gegeben. Von einer Welle könne überhaupt keine Rede sein – wenn man von der Empörungswelle absieht.
Tatsächlich bestünde nur ein Risiko für Leute, die Masken nähen und sie mit falschen Schutzversprechen verkaufen. Wer sie als „Atemschutzmasken“ verkaufen will, behauptet, dass sie eine richtige Schutzfunktion haben. Das stimmt aber nach den Standards von Atemschutzmasken nicht. Als „Geschichtsmasken“ oder „Schnutenpullis“ kann man sie aber verkaufen.
Beim WebMontag am 20. April hat er mir erklärt, wozu es Abmahnungen überhaupt gibt: Wer sein Recht verletzt sieht, kann damit dafür sorgen, dass es wiederhergestellt wird.
Er berichtete von einem Klienten, der feststellen musste, dass ein Konkurrent einfach eins-zu-eins die eigene Website kopiert und nur den Firmennamen ersetzt hatte. Er wurde als Anwalt beauftragt, sich darum zu kümmern. Also schrieb er einen Abmahnbrief, in dem er umfangreich darlegte, wie das Recht verletzt wurde. Dazu kam eine Aufforderung, die Rechtsverletzung zu beseitigen und entsprechend dem Streitwert einen Betrag zu bezahlen.
Eine Abmahnung braucht immer einen Auftraggeber. Von sich aus, kann kein Anwalt einfach Abmahnungen verschicken. Es gebe schwarze Schafe in seiner Branche, aber die bekanntesten von denen sind damit auch nicht glücklich geworden.
Wer also Gesichtsmasken verkaufen will, sollte nicht der Atemschutzmasken-Branche in die Quere kommen und etwas über sein Produkt behaupten, was es nicht hält.
Die meisten befürchteten Abmahnwellen in den letzten Jahren sind nicht eingetreten. Abmahnungen wegen illegaler Musik- und Film-Downloads gebe es zwar noch, aber da würde kaum jemand bestreiten, dass das zu recht passieren. Immerhin lädt niemand aus Versehen illegal Musik und Filme herunter.
Es gibt ein gewisses Niveau von Creative-Commons-Abmahnungen: Fotografen, die ihre Fotos unter der freien Lizenz veröffentlichten und dann abmahnten, wenn sie jemand nutzte, ohne sich ganz genau an die damit verbundenen Regeln zu halten. Dort wirke das auch ein wenig unseriös – das gehe aber von den Fotografen aus.
Ich muss sagen: das wirkt alles halb so wild. Normalerweise treiben Abmahnungen niemanden in den Ruin und das Risiko abgemahnt zu werden, ist viel geringer, als viele meinen.
Das ganze Gespräch könnt ihr auf YouTube sehen:
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