Es reicht nicht mehr, eine gute Dienstleistung anzubieten oder ein gutes Produkt: Wer etwas auf sich hält, rollt den Markt auf und macht alle Konkurrenten platt. „Disruption“ ist das Zauberwort. Doch Jill Lepore vom New Yorker hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und festgestellt, auf welch wackeligen Beinen die wirtschaftswissenschaftliche Theorie dazu steht.
Veränderung hatte in den letzten Jahrhunderten unterschiedliche Namen: Im 18. Jahrhundert, war das der Fortschritt, im 19. Jahrhundert ging es um Evolution, das 20 Jahrhundert hat das Wachstum gepflegt und heute ist es die Disruption erklärt Jill Lepore. Doch während die frühere Ideologien lautstarke Kritiker hatten, fehlen sie bei der disruptiven Innovation. Zum einen machen sich die Disruptionsprediger über ihre Kritiker lustig, weil diese angeblich die Veränderung an sich ablehnten. Zum anderen sei der Begriff der Innovation inzwischen an sich unangreifbar.
Vordenker der disruptiven Innovation ist der ehemalige Mormonen-Bischof und Harvard-Wirtschaftswissenschaftler Clayton M. Christensen. Er beschreibt disruptive Innovation als Vorgang, bei dem ein neu auftretender Konkurrent mir einem billigeren, minderwertigen Produkt auftritt und nach und nach die alteingesessene Konkurrenz aussticht.
In „The Innovator’s Dilemma“ führt er diesen Vorgang anhand mehrerer Beispiele aus – allerdings, und das legt Jill Lepore dar, funktionieren die vorne und hinten nicht. Oft wurde die Konkurrenz nicht so eindeutig abgeräumt, wie die Disruption verspricht. Die alteingesessenen Firmen haben das überlebt und sind später teilweise zu neuer Blüte gekommen, während es die Neuen nicht lange ausgehalten haben. Wenn überhaupt, erkläre die Disruptions-Theorie, warum Firmen scheitern – sie erklären aber nicht Veränderung. 2007 hat Christensen damit versucht zu erklären, warum Apple mit dem iPhone scheitern würde.
„Disruptive innovation is a theory about why businesses fail. It’s not more than that. It doesn’t explain change. It’s not a law of nature. It’s an artifact of history, an idea, forged in time; it’s the manufacture of a moment of upsetting and edgy uncertainty. Transfixed by change, it’s blind to continuity. It makes a very poor prophet.“
Trotzdem sei Disruption die Ideologie der Start-Up-Szene. Jill Lepore berichtet von dem Risikokapitalgeber Josh Linkner:
„His job appears to be to convince a generation of people who want to do good and do well to learn, instead, remorselessness. Forget rules, obligations, your conscience, loyalty, a sense of the commonweal. If you start a business and it succeeds, Linkner advises, sell it and take the cash. Don’t look back. Never pause. Disrupt or be disrupted.“
Das Unternehmen wird zum Produkt und das eigentliche Produkt nebensächlich – Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft – scheißegal. Wirtschaft um ihrer selbst Willen.
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