Die Mediatage Nord bezeichnen sich selbst als „bedeutendsten Treffpunkt der Mediabranche in Schleswig-Holstein“ und mir würde auch kein anderes Event einfallen, dass den Mediatagen diese Beschreibung streitig machen könnte. (Es sei denn, es gibt da noch etwas, zu dem ich aber nicht eingeladen werde.) In diesem Jahr gab es den Thementag „Digitale Welten“ der WTSH, der einige interessante Vorträge auf dem Plan hatte.Der Thementag war in 3 Blöcke á 2 Stunden eingeteilt. In jedem Block gab es 4 Vorträge – ein straffes Programm, das keine Langeweile aufkommen ließ.
Wissenschaft
Den ersten Vortrag zu „E‑Learning im Kieler Exzellenzcluster ‚Ozean der Zukunft’ “ von Sören Lorenz und die erste Hälfte von „Optimierung von IT-Prozessen an Hochschulen ITIL und IDM“ von Stefanie Winklmeier vom Projekt eCampus, Multimediakontor Hamburg habe ich leider verpasst. Die Hamburger Hochschulen wollen allerdings – soviel habe ich dann mitbekommen – ein einheitliches „Identity Management“ (IDM) einführen, so dass Studenten, die an der einen Hochschule studieren, an einer anderen spezielle Veranstaltungen besuchen und an der dritten plotten, sollen zukünftig mit einem einheitlichen Login arbeiten können und die Basisdaten sollen an alle Hochschulen abgeglichen werden. Zu schön um wahr zu sein, für jemanden, der in jeder Veranstaltung in der Geographie zu Anfang jedes Semesters wieder einen Zettel mit Adresse und Telefonnummer ausfüllen musste, eine Karte für die UB, einen Zettel für die Seminarbiblitheken, eine Mensakarte, ein Semesterticket, eine Seminarkarte und (vorübergehend) einen Uni-Sportausweis hatte.
Der Vortrag „Was darf Wissen kosten? Open Acces vs. Verlagsprivileg“ von Rubina Vock, Projektkoordinatorin open-access.net war leider – vielleicht auch erkältungsbedingt nicht so gut wie die Eröffnungs-Keynote der GMW-Tagung und Campus Innovation 2007 in Hamburg von Prof. Gabriele Beger – einige wichtige Gründe für Open Access sind nicht zur Sprache gekommen. Vor allem die Begründung, dass sich die Öffentlickeit die wissenschaftlichen Ergebnisse doppelt erkauft, wenn sie 1. die Wissenschaftler aus Steuergeldern bezahlt und die Bibliotheken die Ergebnisse dann wieder teuer von den Verlagen kaufen müssen.
Für einige spektakuläre Geschichten war dann der Vortrag „Abschreiben 2.0 – Sind Plagiate unvermeidbar?“ von Dr. Martin Gutbrod, Mitarbeiter von Docol©c gut. Er berichtete von dem um sich greifenden Copy&Paste-Syndrom und was die Software seiner Firma dagegen tun könnte. Docol©c überprüft eingereichte Arbeiten auf Ähnlichkeiten zu anderen Quellen und gibt dann eine Prognose über den Plagiatsanteil. Dabei fallen immer wieder komplett kopierte Seminar‑, Magister- und sogar Doktorarbeiten auf. Wer heute noch bei anderen klaut, lebt wesentlich gefährlicher als noch vor ein paar Jahren.
Innovation
Im Block „Innovation“ ging es dann um virtuelle Realitäten als „Digitale Welten“: Rechtsanwalt und Autor Dr. Andreas Lober referierte unter dem Titel „Virtuelle Welten werden real“ leider vor allem verschiedene juristische Zankereien rund um Second Life und Co, blieb dabei aber sehr an der Oberfläche. Interessant war nur die Erkenntnis, dass die Vermögen, die Spieler im Second Life anhäufen nur dann etwas Wert sind, wenn ihnen jemand ihre „Linden Dollar“ abkauft. Ob dann ein potentielles Millionenvermögen immer noch ein Millionenvermögen ist, bleibt recht unwahrscheinlich.
Die kommerzielle Nutzung von Second Life ist das Geschäftsfeld von Dörte Küttlers Firma „enter the metaverse“. Die studierte Architektin führt First Life Unternehmen ins Second Life und andere virtuelle Welten. Bisher haben mich die kommerziellen Angebote im Second Life nicht überzeugt. Ich gehe doch nicht in eine „bessere“ Welt, um mich dann wieder Werbung auszusetzen.
Einen interessanten, praktischen Nutzen stellten Caterina Link und Melanie Korinth von der FH Wismar vor: In ihrer Master-Thesis geht es unter anderem um das „Potential virtueller Welten als Plattform für Business und Marketing“ – Für ihr Fach die Architektur haben sie als praktischen Anwendung untersucht, ob zukünftige Bauherren etwas von der Begehung virtueller Hausentwürfe im Second Life haben und kamen – wenn auch mit einer Testgruppe von nur 16 Personen – zu dem Schluß, dass man einen sehr guten Eindruck vom zukünftigen Eigenheim bekommt.
Eine ganz andere virtuelle Welt stellte Jan-Friso Evers-Senne von der vision‑n GmbH vor: Als Augmented Reality bezeichnet man das integrieren von digitalen Objekten in reale Umgebungen. So kann vision‑n zum Beispiel am Computer testen, ob das digitale Modell eines neuen Fahrzeugs durch die realen Montagestraßen passt.
Wirtschaft
Sven Gábor Jánszky ist soetwas wie ein bunter Hund in der Medienbranche – zumindest, wenn man seiner Vita glauben schenkt. In seinem Think-Tank entwickelt er alljährlich mit 200 Top-Managern die Geschäftsmodelle der nächsten 10 Jahre. Und so berichtete er über „Virtuelle Welten – Innovative Ansätze für neue Geschäftsmodelle“. Im Jahr 2017 werden Tapeten eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als heute. Währen Tapeten heute noch sinn- und farblos an der Wand hängen, werden sie in Zukunft die Funktion von Lampen, Fernsehern und Monitoren übernehmen.
Wie auch schon bei „Schleswig-Holstein digital berichtete Dirk van Loh von MACH 3 über die „Medienbranche im Umbruch“. Der Radiomann hofft, dass wir uns auch in Zukunft das BlaBla anhören, das man bei Delta, Nora, RSH & Co. vor allem deswegen erträgt, weil einfach in jedem Bleistift inzwischen ein Radio ist, während schlaue Alternative immer noch komplizierter sind. Ich persönlich denke nicht, dass man sich in Zukunft noch beim Hören der selbstgewählten Lieblingsmusik von irgendwem oder gar von Werbung unterbrechen lässt. Und wenn ich eine Reportage hören will, dann höre ich eine Reportage. Wenn ich in der Küche heute schon Podcast hören könnte, bräuchte ich da kein Radio… Das Geld wird da sicher nicht aus der Werbung in ihrer jetztigen Form kommen.
Im Anschluss sprach Prof. Klaus Greve von der Universität Bonn über „Wertschöpfungsmodelle mit Geoinformation, Google Earth und Co.“ – ein Vortrag, den ich in Osnabrück leider teilweise verpasst hatte. Professor Greve berichtete vom Hype um Kartendarstellungen seit 2005 wie die Monopole der zwei Anbieter von weltweiten Kartendaten – Teleatlas und NavTec – diese Entwicklung auch blockieren.
Zum Schluss fehlte mir ein wenig die Konzentration. Nach über 5 Stunden Vorträge konnte ich Karsten Gareis mit seiner Präsentation der European E‑Business W@tch nicht mehr ganz folgen. Es ging glaube ich um den Einsatz von IKT in Unternehmen.
Die anschließende Network-Lounge war eine nette Möglichkeit sich noch mit einigen der Redner und Teilnehmern auszutauschen. Das Büffet sorgte dafür, dass ich keinen der Anwesenden anfallen musste. Das Frühstück war einfach zu lange her.
Insgesamt habe ich eine Menge interessanter Dinge gehört – leider ziehen solche Events in Kiel kaum mehr als 20 Leute pro Vortrag. Erst im letzten Block waren es 40–50. Schade – für die, die nicht da waren.
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