13 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wählten die Schleswig-Holsteiner den Kriegsverbrecher Heinz Reinefahrt in den Landtag. Bei der Landtagswahl 1958 wurde Reinefarth Landtagsabgeordneter für den Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE). Schon damals für viele ein Skandal – allerdings ohne große Folgen.
Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand. Die polnische Heimatarmee setzte sich gegen die deutschen Besatzer zur Wehr. Die Reaktion war blutig: Innerhalb der 63 Tage des Aufstandes ermordeten die Nazis 150.000 Menschen. Eine besondere Rolle spielte dabei die „Kampfgruppe Reinefarth“. Unter dem Befehl von SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Heinz Reinefarth brachte sie allein im Stadtteil Wola an einem Tag 10.000 Zivilisten um.
Nach dem Krieg wurde Schleswig-Holstein zum „braunen Naturschutzgebiet“ – über die „Rattenlinie Nord“ setzten sich viele Nazis in die Provinz ab. Und lange Zeit kümmerte sich auch niemand ernsthaft darum. Heinz Reinefarth wurde 1951 Bürgermeister von Sylt und blieb das auch bis 1964. Erst 1962 wurde seine Immunität aufgehoben und die Staatsanwaltschaft begann, sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Die Staatsanwaltschaft hatte das bereits vor seiner Wahl schon einmal versucht, das Verfahren dann aber kurz nach Reinefarths Wechsel in den Landtags eingestellt. Aber auch die neuen Ermittlungen wurden ohne Ergebnis eingestellt. Reinefarth lebte noch bis zu seinem Tod 1979 als angesehener Rechtsanwalt auf Sylt.
Zum Anlass des 70. Jahrestages hat der Landtag am 10. Juli 2014 eine Resolution zum Gedenken an den Warschauer Aufstand verabschiedet. In ihr findet auch Reinefarth Erwähnung:
„Der Landtag bedauert zutiefst, dass es nach 1945 in Schleswig-Holstein möglich werden konnte, dass ein Kriegsverbrecher Landtagsabgeordneter wird. Er verurteilt die Gräueltaten, die sein ehemaliges Mitglied, Heinz Reinefarth, insbesondere bei der brutalen Niederschlagung des Warschauer Aufstandes begangen hat sowie die sich hieran anschließenden menschenverachtenden Racheaktionen der Nationalsozialisten aufs Schärfste. Der Schleswig-Holsteinische Landtag bittet die Opfer der Untaten um Verzeihung.“
Bereits 2013 hatte der Landtag den Auftrag erteilt, insgesamt die „personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive“ aufarbeiten zu lassen.
Links
- Landtagsinformationssystem: Heinz Reinefarth
- taz: „Beschämt verneigen wir uns“
- stern: Vom Henker zum Bürgermeister
- ZEIT: Brauner Sand in Westerland
Schreibe einen Kommentar