Wie man sich alle Anwälte Deutschlands gleichzeitig zum Feind macht, hat gerade die Bundesrechtsanwaltskammer ausprobiert. Sie hat dazu ein in Deutschland bewährtes Verfahren gewählt: Ein IT-Großprojekt.
Ab 1. Januar sind alle Rechtanwälte in Deutschland dazu verpflichtet, das „Besondere elektronische Anwaltspostfach“ zu benutzen. Doch nachdem eklatante Sicherheitslücken bekannt wurden, ist es jetzt erst einmal offline.
Bullshit made in Germany
Auf Twitter wurde geunkt, warum man nicht einfach De-Mail auch für die Korrespondenz der Juristen genommen hat. De-Mail sollte ja genau das leisten: Eine sichere Kommunikation, die sicherstellt, dass der Absender der Absender ist und der Empfänger der Empfänger. Nur nutzt das bis heute fast niemand.
Witzig war das natürlich deswegen, weil die Technik von De-Mail schon auf dem Chaos Communication Congress vor vier Jahren zerlegt wurde. Die Technik ist unsicher und kompliziert und die Mails sollen auch noch Porto kosten! Und weil De-Mail so schlecht ist, dass es keiner nutzt, sind Steuerberater ab 2018 gesetzlich verpflichtet, De-Mail in der Kommunikation mit dem Finanzamt zu verwenden. „Für jedes technische Problem gibt es eine juristische Lösung,“ ist ein geflügeltes Wort in der Hacker-Szene.
In seinem Vortrag auf dem 30C3 erzählt Linus Neumann, was er in den Ausschusssitzungen erlebt hat, als darüber beraten wurde, wie denn De-Mail aussehen könnte. Ein Interesse an einer einfachen, sicheren Lösung gab es offenbar nicht.
Vorhandene Technologie wird ignoriert
Man hätte allen Bürgern auf ihrem elektronischen Personalausweis ein Zertifikat hinterlegen können, das hätte man dann per S‑MIME und normalen E‑Mails benutzen können. Dann hätte man das viele Geld lieber in einfache Bedienbarkeit stecken können – grundsätzlich hätte das System aber mit jeder beliebigen E‑Mail-Adresse und jedem beliebigen Mailprogramm funktioniert. Allerdings wäre das so sicher gewesen, dass die Geheimdienste da tatsächlich nicht so einfach dran gekommen wären.
Leider hatte die Bundesregierung das mit dem elektronischen Personalausweis schon vorher so verkackt, dass sich auch für dessen Vorteile niemand interessiert. Erfolgloser war wohl nur die elektronischen Gesundheitskarte, die tot war, bevor sie startete. Trotzdem haben Roland Berger, IBM, Telekom, Bertelsmann/avarto usw. 1,7 Milliarden Euro daran verdient. So ganz habe ich nicht verstanden, ob die jetzt doch noch kommt. Die Ärzte sind wohl immer noch verpflichtet bis zum 1. Juli 2018 entsprechende Reader anzuschaffen.
Generell hat man schon den Eindruck, dass Software-Projekte in Deutschland immer scheitern müssen, weil sie immer eine doppelte Agenda erfüllen müssen:
- Sie sollen nie nur das eigentliche Problem lösen, sondern immer auch noch Leute reich machen und den Geheimdiensten den Zugang zu noch mehr privaten Daten bieten.
- Und damit das den Staat nichts kostet, werden irgendwelche Firmen damit beauftragt, ein Geschäftsmodell für sich zu entwickeln, das dann per Gesetz lukrativ wird.
Solange sich an dieser Kultur nichts ändert, wird die Digitalisierung in Deutschland nichts, weil diese Scheiß-Lösungen keine Akzeptanz bei den Zielgruppen bekommen. Das wiederum die generelle Einstellung der Menschen zu dem Thema negativ beeinflusst.
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