Nur 5 % der Deutschen sind überhaupt technisch in der Lage eGovernment-Angebote zu nutzen. Der elektronische Personalausweis (ePerso) hat nur wenige Fans. Das liegt an den Fehlern der Bundesregierung bei seinem Start.
Vor fast 10 Jahren hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble den elektronischen Personalausweis vorgestellt – bis heute hat er sich nicht durchgesetzt, obwohl mittlerweile fast alle Bürgerinnen und Bürger einen ePerso besitzen müssten.
Der Staat muss vorangehen
Das Problem sei, dass es nur wenig Angebote gebe. Ein Henne-Ei-Problem: Weil es keine Angebote gibt, nutzen die Leute den ePerso nicht. Und weil die Leute es nicht nutzen, werden keine Angebote geschaffen. Das ist falsch. Der Staat kann sehr wohl voranschreiten und Angebote digitalisieren. Wenn die Angebote dann gut sind, werden sie auch genutzt.
Es ist also vielmehr ein Problem, dass ein Bürger in Estland 99% aller Verwaltungsvorgänge auch digital erledigen kann. Als technisch interessierter Deutscher kenne ich keinen einzigen Behördengang, den mir der ePerso ersparen könnte. Tatsächlich ist der deutsche Personalausweis der erste Ausweis, der europaweit funktioniert. Ich kann mich damit offenbar über das Internet in Tallinn an der Universität einschreiben, aber was kann ich in Kiel damit machen?
Die Early-Adopter wurden systematisch vergrault
Da zeigt sich aber auch das Grundproblem: Ich habe nicht den Eindruck, dass ich der einzige bin, der sich grundsätzlich für Technologie jeder Art interessiert, aber einen Bogen um den ePerso macht. Der ePerso hat seine potentiell größten Fans gleich bei der Einführung verloren. Denn verkauft hat Wolfgang Schäuble ihn nicht als Erleichterung für die Bürger sondern als Mittel im Kampf gegen den Terror.
Er hat den ePerso verkauft als Mittel der Überwachung. Die SPD konnte damals in der Großen Koalition gerade noch verhindern, dass zwangsweise von allen Bürgerinnen und Bürgern die Fingerabdrücke genommen wurden – eine Maßnahme, die die meisten bisher nur aus dem Fernsehen von Verbrechern kannten. Die Fotos sollten biometrisch sein, damit die Gesichter der Menschen besser von Computer verarbeitet werden können. Damit hat der ePerso all die technik-begeisterten, potentiellen Fans verloren, die sich damals für Bürgerrechte und gegen Überwachung eingesetzt haben und sie stattdessen zu Gegnern gemacht.
„Wenn wir dem Staat nicht trauen – wem sollen wir dann trauen,“ hatte unser Gast aus Estland beim letzten WebMontag gesagt. Nun gut, Frau Omrii ist natürlich als Botschafterin auch Vertreterin des Staates. Was sollte sie sonst sagen? Aber im Prinzip ist es so. Der Staat wird immer Daten über uns haben müssen. Wir müssen ihm vertrauen. Im Fall des elektronischen Personalausweises muss der Staat aber erst einmal verlorenes Vertrauen wieder aufbauen, bevor er sich durchsetzen wird.
Auf dem Portal des Bundesinnenministeriums zum elektronischen Personalausweis lese ich nach, was ich in Schleswig-Holstein mit dem ePerso machen kann: Ich kann meine Steuererklärung abschicken. Ich kann BAföG beantragen. Und ich kann mich in Norderstedt an- und abmelden. Immerhin. Vielleicht sollte ich das tun.
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