Das Klima lässt sich nicht mit den individuellen Lebensstil retten, habe ich mir kürzlich erklären lassen. Die Politik müsse das große Rad drehen. Dafür müsse man demonstrieren – danach könne man auch in den Urlaub fliegen.
„Die Generation Boomer sucht nach Lösungen für die Klimakrise im eigenen Konsumverhalten. Jüngere betrachten das große Ganze,“ schrieb Enno Schöningh dazu kürzlich in der TAZ. Als kritischer Generation-X-ler stelle ich mir Fragen.
Ich habe in der Schule gelernt, Wasser, Duschgel und Zahnpasta zu sparen. Wasser nicht zu lange laufen lassen, Kühlschrank zu, Licht aus. Da haben Mitschülerinnen Schreibhefte aus Umweltpapier verkauft und dafür gesorgt, dass der Kakao beim Hausmeister in Glasflaschen verkauft wird. Umweltschutz war etwas, bei dem alle mitmachen konnten.
Vor ein paar Jahren habe ich dann noch erfahren, dass ein Mensch auf legale Art nichts Schlimmeres fürs Klima tun kann, als sich in ein Flugzeug zu setzen. Ich glaube auch nicht, dass es möglich sein wird, dass weiterhin immer mehr Autos in der Welt herumfahren – auch nicht als Elektro-Autos. Deswegen habe ich kein Auto, sondern teilen mit Autos beim Carsharing.
CO2-Fußabdruck ist Konsumenten-Ethik
Natürlich verstehe ich auch, dass Konzepte wie der persönliche CO2-Fußabdruck problematische Aspekte hat. Klar, kann ich mir selbst weniger Sachen kaufen. Aber dann wird nur das CO2 von zwei T‑Shirts eingespart. Wenn die Politik am großen Rad dreht, werden alle T‑Shirts klima-neutral produziert und niemand muss auf irgendwas verzichten.
Der CO2-Fußabdruck bricht das große Problem herunter auf die einzelne Person und schiebt ihr die Verantwortung zu. So ist das natürlich tatsächlich ein Ablenkungsmanöver der Industrie, die einerseits sagt: „kauf weniger“ und dann Werbung dafür macht, dass man doch mehr kauft.
Natürlich rettet mein Verhalten allein das Klima nicht. Aber für mich ist das keine Frage von „entweder-oder“. Natürlich steht für mich auch eine politische Haltung dahinter. Ich verzichte doch nicht auf das Fliegen, weil ich meinen CO2-Fußabdruck verkleinern will. Ich bin nicht nur Konsument. Ich bin auch Bürger. Ich verzichte darauf, weil ich das für richtig halte und ich setze mich dafür ein. Denn in der Tat muss sich auch die Rahmenordnung ändern.
Das Zusammenspiel von Konsumenten- und Unternehmensethik und Rahmenordnung habe ich ein „Das moralische Dreieck“ schon einmal dargelegt.
Ein Richtig um Falschen?
Ich verstehe aber die andere Einstellung nicht: Wenn man für sich erkannt hat, dass das Ergebnis des eigenen Handelns schlecht ist und man etwas dafür tun kann, um die Folgen abzumindern, warum tut man sie dann nicht? Man tut etwas, obwohl man weiß, dass es falsch ist. Ist das nicht scheinheilig?
Die Klimaschutz-Bewegung nimmt sich damit einen wichtigen Hebel. Wenn sie nicht allein durch Demonstrationen auf die Politik einwirkt, sondern auch durch Konsumentscheidungen auf die Unternehmen, dann kann das sehr wirksam sein – und es wirkt nicht ganz so scheinheilig, als wenn man von Fuerteventura postet, wie wichtig Klimaschutz sei.
Ich frage mich dann auch, für was für eine Welt man dann eigentlich demonstriert? Eine Welt, in der die Politik irgendwie alles Klima-schädigende so verboten hat, dass es jeweils klima-freundlichen Ersatz gibt? Also alles läuft so weiter wie bisher aber mit e‑Motoren und nachhaltiger Baumwolle? Irgendwie wird alles in einer perfekten Kreislaufwirtschaft immer wieder vollkommen recycelt.
Sorry. Das glaube ich nicht. Denn das Klima ist nicht das einzige Problem und für viele anderen Probleme haben wir noch keine Lösung. Ich bin dann kein Fan davon auf Rettungen in letzter Sekunde zu hoffen. Wir müssen mit dem planen, das wir schon haben und uns dann freuen, wenn uns Innovationen zur Hilfe kommen. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass der Mensch jedes Problem rechtzeitig technisch lösen kann. Wir leben in keinem Marvel-Film.
Nobody is Perfect
Klar muss man kein Asket sein. Nur wenige Menschen werden eine Radikalität aufbringen können, ein konsequent klima-freundliches Leben zu führen. Dazu ist unsere Rahmenordnung tatsächlich noch zu sehr auf Klima-Schädigung ausgelegt. Aber nicht in den Urlaub zu fliegen, ist wirklich eine einfache Maßnahme. Man kann weiterhin anders Urlaub machen. Viele schöne Orte lassen sich mit dem Zug erreichen – oder auch mit dem Auto.
Aber sinkende Zahlen bei Flugreisen sind ein politisches Signal, das mindestens so stark ist, wie eine Demo auf dem örtlichen Rathausplatz. Beides zusammen ist super!
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