Ist es nicht schön: Während die Bevölkerung der meisten Länder äußerst empfindlich dabei ist, wenn sie von ihren Regierungen ausspioniert werden, haben die meisten Menschen nichts dagegen, wenn im Ausland spioniert wird. Man macht dann einfach einen Deal: Wir spionieren Euch aus und ihr spioniert uns aus und am Ende sind wir alle befreundet und tauschen die Erkenntnisse aus. Man outsourct einfach in ein anderes Rechtsgebiet und schon hat alles den Anschein von Legalität.
In seiner Rezension des Tagebuchs des UN-Anti-Folter-Beauftragten Manfred Nowak erklärt der „profil“-Journalist Herbert Lackner, wie zum Beispiel das rechtliche Konstrukt funktionierte, mit dem die USA ihre weltweiten Folterlagern einen legalen Anstrich verpassten:
„Bush vertrat die Auffassung, in seinem „Krieg gegen den Terror“ gelte das Kriegsrecht und nicht der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz. Die wichtigsten Regeln dieses „Kriegsvölkerrechts“ (heute nennt man es „humanitäres Völkerrecht“) sind in der Genfer Konvention festgeschrieben, die die Bevölkerung in Kombattanten und Zivilisten teilt. Zivilisten sind zu schonen, Kombattanten dürfen in Kriegshandlungen getötet werden, haben aber im Fall der Gefangennahme bestimmte Rechte. Sie dürfen zum Beispiel nicht gefoltert werden. Also erfanden Bushs Juristen eine dritte Kategorie, die „Illegal Enemy Combatants“, die in der Genfer Konvention natürlich nicht vorkommen und daher auch nicht den Schutz vor Folter genießen. Und da auf US-Territorium die Bundesverfassung mit Grundrechten wie dem Folterverbot gilt, folterte man eben auf Kuba oder in CIA-Geheimgefängnissen in Polen, Rumänien, Litauen, Jordanien oder Ägypten. Da nun Bush senior als Präsident ungünstigerweise die UN-Konvention gegen die Folter ratifiziert hatte, wonach es keine Ausnahmen vom Folterverbot geben kann, schränkte das findige US-Justizministerium den Begriff Folter kurzerhand auf Extrempraktiken ein, die zu Organversagen, Tod oder lebenslangem psychischem Leiden führen.“
Dieses Konstrukt des Illegal Enemy Combatants dient heute zur Rechtfertigung des Drohnenkriegs, bei dem auch die Zivilisten betroffen sind, die vom Kriegsvölkerrecht besonders geschützt wären. Weil sich diese Menschen außerhalb des Rechts stellten, sollten sie auch so behandelt werden: Als Rechtlose. Die USA haben rechtsstaatlich beschlossen, weder als Kriegspartei noch als Rechtsstaat zu agieren.
Nun wird auch im Zusammenhang mit Edward Snowdens Enthüllungen rund um Prism behauptet, die Arbeit der NSA sei durch amerikanisches Recht gedeckt und parlamentarisch kontrolliert. Doch selbst der republikanischen Abgeordnete Jim Sensenbrenner, der den Patriot Act mit verfasst hat, bestreitet das heute. Das Gesetz sollte die gezielte Fahndung nach Terroristen vereinfachen und nicht dafür dienen, dass Bürgerinnen und Bürger prinzipiell ausgespäht würden.
Recht lebt durch Auslegung. Und es gibt immer unterschiedliche Auslegungen. Das ist der Grund, warum vor Gericht eine Juristin verliert und die andere gewinnt. Beide können nicht recht bekommen – die Richterin „folgt einer Argumentation“ und einer anderen nicht. Neben der formalen Gesetzmäßigkeit (Legalität) gibt es die Legitimität – die Rechtmäßigkeit. Über den Auslegungen stehen also die Gesetze und darüber stehen die Werte – zum Beispiel konkretisiert durch die Menschenrechte. Sowohl Gesetze als auch ihre Auslegung können Menschenrechtswidrig sein.
Die USA haben sich nach den Terroranschlägen von 9/11 ein rechtsstaatliches Wolkenkuckucksheim geschaffen – historisch hat es das Land immer wieder geschafft, derartige Fehlentwicklungen zu korrigieren. Hoffen wir, dass es auch diesmal passiert.
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