In seinem Blogpost „Das ‚digitale Lebensgefühl‘ und die neue Rolle sozialdemokratischer Netzpolitik“ erklärt Björn Böhning „Das Wesen des Internets ist die Kopie“ und stößt damit auf Unverständnis. Ich gebe ihm Recht, sehe aber die Idee einer Kulturflatrate kritisch. Zu bürokratisch mit zu wenig Effekt für die Masse der Künstler.
Das Internet ist eine technische Infrastruktur, die auf dem Prinzip der Kopie beruht. Man schickt nie irgendetwas irgendwo hin. Man erstellt immer nur eine Kopie auf anderen Rechnern. Wenn ich jemandem etwas per Internet schicke, habe ich nichts weniger und der Empfänger hat das 100% gleiche wie ich. Dass auf diesem Prinzip aufbauend dann eine Kultur der Kommunikation, Bildung, Unterhaltung, Zusammenarbeit entstanden ist, stellt niemand in Abrede.
Warum die Kulturflatrate nicht funktionieren wird
Vor Internet und CD-Brenner musste ich ein Stück Plastik kaufen, um die Musik hören zu können, die darauf konserviert war. Das Stück Plastik musste hergestellt und um die ganze Welt verteilt werden. Und da war es ganz einfach: Ich habe diesen Gegenstand gekauft, den ich haben musste, um die Musik zu hören und der Verkäufer hat einen Betrag X draufgeschlagen, den er dann dem Musiker gegeben hat. Das Modell hat dann einige Jahrzehnte für viele Leute ganz gut funktioniert.
Die Musikplastikhersteller und ‑verteiler benötige ich aber nicht mehr, wenn jeder Musiker selbst sein „Original“ zur Verfügung stellt, von dem dann jeder seine Kopie ziehen kann. Die Kosten für den Aufwand verteilen sich irgendwo zwischen dem anteiligen Preis, den der Künstler für seine Arbeitszeit für das Hochladen ansetzen würde (5 Minuten?), den entsprechenden anteiligen Kosten für seinen Internetzugang, den er ohnehin hat und seine Hardware, die er ohnehin braucht und den gleichen Kosten auf der Seite der Hörer. Das ist so wenig, das kann man nicht einmal ausrechnen.
„It makes increasingly less sense to talk about a publishing industry, because the core problem publishing solves – the incredible difficulty, complexity, and expense of making something available to the public – has stopped being a problem.“—Clay Shirky
Es ist überhaupt nicht sinnvoll – im Sinne der Hörer – sich die Festplatte voller Songs zu kopieren, nur weil man den einen oder anderen ab und zu mal hören möchte. In Zukunft läuft doch ohnehin alles „in the cloud“. Wenn ich mir jetzt schon einen Song für 1,- EUR kaufen kann – wie hoch soll dann der Preis pro Hören sein. Und schon jetzt kann ich kostenlos *legal* fast jeden Song hören, der mir gerade einfällt.
Free! Why $0.00 Is the Future of Business
Chris Anderson hat in „Free“ erklärt, warum 0 Cent ein vollkommen anderer Preis als 1 Cent ist:
„This difference between cheap and free is what venture capitalist Josh Kopelman calls the „penny gap.“ People think demand is elastic and that volume falls in a straight line as price rises, but the truth is that zero is one market and any other price is another. In many cases, that’s the difference between a great market and none at all.“ – Chris Anderson
Dazu kommt: Sobald Du einen Preis hast, musst Du abrechnen. Und wenn Du nicht willst, dass sich Deine Kunden es ständig überlegen, ob sie das Geld (und sei es auch noch so wenig) ausgeben oder nicht, bietest Du eine Flatrate an: Einmal bezahlen und alles ist abgedeckt. Daher kommt die Idee der Kulturflatrate, die dann alle aus jeder Quelle umfasst: Der Staat rechnet da ab, wo es zu kompliziert wäre lauter eigene Flatrates abzurechnen.
Ich glaube nicht, dass das funktioniert, weil der Overhead teurer ist, als das, was für Künstler tatsächlich rum kommt. Für 5 EUR für den durchschnittlichen Musiker im Jahr muss man keine neue Behörde schaffen.
Der Musiker als Unternehmer
Es bleibt also die Alternative: Die Künstler pfeifen auf das Kleingeld und verkaufen stattdessen etwas, was man nicht für lau kopieren kann: Merchandising und Events. Auch ein bei Youtube veröffentlichter Mitschnitt eines Konzertes reicht bei weitem nicht an einen echten Konzertbesuch heran und exklusive, limitierte T‑Shirts werden sicher auch ihre Abnehmer finden.
Du darfst auch nicht vergessen: Musiker sind nicht nur Musiker, weil sie damit Geld verdienen. Musiker sind auch Künstler. Und Künstler müsste es prinzipiell freuen, wenn sie möglichst viele Menschen mit ihrer Kunst erreichen. Und das Internet bietet die einmalige Chance, dass man Deine Songs auch noch hört, wenn die kleine Split-EP-Edition, die Du selbst finanziert hättest, längst ausverkauft wäre. Und in 20 Jahren wird das Ding dann plötzlich der Sommerhit.
Wenn die Politik Musiker unterstützen will, sollte zum Beispiel Live-Auftritte fördern – Da heißt nicht, dass die Bundesregierung Konzerte veranstalten soll, sondern alles, was Konzerte erschwert, abgebaut werden sollte.
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