Gutenberg soll mehr als Editor sein. Das WordPress-Team hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Art und Weise zu ändern, mit der Inhalte veröffentlicht werden. Ein genauerer Blick auf das Projekt lohnt sich also.
WordPress ist schon heute das am häufigsten verwendete Redaktionssystem weltweit. 30 Prozent aller Internetseiten werden mit WordPress betrieben. Ich selbst habe eine ganze Reihe Websites auf Basis von WordPress.
Doch die Konkurrenz schläft nicht – vor allem die Konkurrenz für den kommerziellen Ableger wordpress.com. wix.com oder Jimdo bieten viel umfangreichere Funktionen als das klassische Blogsystem von WordPress. Dahinter kann WordPress nicht dauerhaft zurückfallen. Etwas musste passieren.
Großes Textfeld vs. viele kleine Blöcke
Es gibt zwei Ansätze für das Erstellen von Webseiten: Entweder hat man ein großes Textfeld und einen WYSIWYG-Editor oder man stellt die Seite aus vielen einzelnen Elementen zusammen.
Gutenberg ermöglicht es, einen Artikel aus verschiedenen Blöcken zusammen zu stellen. Blöcke können Überschriften, Bilder, Absätze, Zitate, Tabellen und vieles mehr sein. Wer will, kann eigene Blöcke entwickeln. Damit können auch Benutzer.innen mit weniger ausgeprägten Web-Fähigkeiten vielfältigere Inhalte erstellen.
Bevor ich begonnen habe mit WordPress zu arbeiten, habe ich mit Zikula Websites erstellt. Dort gab es ein Modul eines, mit dem man sich Seiten so zusammen klicken konnte wie bei Gutenberg – nur nicht ganz so komfortabel (vor 7 Jahren). Ich fand aber das eine große Text-Feld von WordPress immer praktischer. Gerade weil ich Ahnung davon habe, wie man den Editor und seine Funktionen bedient.
Wenn man mit dem Editor umgehen kann, hält es bei einem normalen Text mit Zwischenüberschriften eher auf, wenn man immer neue Blöcke auswählen und einfügen muss. Allerdings fühlt es sich in Gutenberg nicht so an. Theoretisch muss man für jeden Absatz ein neues Absatzelement anlegen. Praktisch ist es aber so, das Gutenberg das bei „Enter“ von alleine macht und man den Text einfach weiter schreiben kann, wie bisher auch. Wer zwei Absätze zusammenziehen will, geht wie auch bisher an den Anfang des zweiten Absatzes und drückt „Backspace“.
Potential für Unfug
Ich mochte den klassischen WordPress-Editor auch deswegen, weil damit ambitionierte aber unerfahrene Benutzer.innen kaum Unfug anstellen konnten. Der normale WordPress-Editor hat nur wenige Funktionen. Mit Fettdruck, Links und Aufzählungen kann man nur schwer eine Seite entstellen.
Ich kann deswegen verstehen, wenn Administrator.innen von größeren Multisites-Installationen für Kunden skeptisch sind, was Gutenberg bringt. Allerdings kann man auch Gutenberg konfigurieren und alles rausschmeißen, was Komplikationen verspricht. Allerdings kann man auch eigene Blöcke entwickeln, die speziellen Bedürfnissen bestimmter Kunden entgegen kommen.
Potential für Vereinfachung
Bei der WordPress-Installation, die ich bei der Arbeit nutze, kann man zum Beispiel Personen anlegen und diese Personen Gruppen hinzufügen. Per oEmbed kann man diese Personen und Gruppe in Artikel einfügen. Der klassische Editor erstellt daraus eine Vorschau, die ich zum Beispiel unter Artikeln als Autoren-Box verwende. Das ist aber eine Funktion, die nirgends sichtbar ist – genauso wie der Shortcode, mit dem ich Videos aus der Mediathek des Bundestags integrieren kann. Als Blöcke in Gutenberg wären diese Funktionen für alle Benutzer.innen erkennbar.
Gerade bei Personen und Gruppen könnte man sich sogar sparen, die Zielseite zu suchen, die URL zu kopieren und einzufügen. Man hätte einen Block für Gruppen und einen für Personen. Den wählt man aus, tippt in ein Autocomplete-Feld den gesuchten Namen, wählt den aus. Fertig.
Ich würde zum Beispiel auch den normalen Block für Überschriften entfernen und einen einfacheren einbauen, der nur Zwischenüberschriften der Hierarchie H2 zulässt. Ich habe extrem selten Seiten gesehen, auf denen das Dokument weiter als in dieser Ebene gegliedert war.
Die meisten Menschen verstehen die Gliederung von Dokumenten gar nicht – wer schon einmal versucht hat, Freunden zu helfen, deren Diplomarbeit in Word plötzlich Kraut und Rüben war, weiß was ich meine. Die meisten Menschen verstehen unter eine Überschrift fetten Text, der ein wenig größer geschrieben ist als der Rest. Dem kann man mit so einem Block entgegen kommen.
Mein Problem mit Gutenberg
Seit dem letzten Update drängt sich Gutenberg im Dashboard auf. Ich bin deswegen davon ausgegangen, dass der Editor soweit einsatzfähig ist, dass ich ihn mal auf kaffeeringe.de testen kann. Leider musste ich feststellen, dass mein Hack für Dachzeilen nicht angezeigt wird. Ich hab dann gedacht, dass ich vielleicht einfach einen Dachzeilen-Block entwickel.
Ich musste aber feststellen, dass Gutenberg keine Blöcke oberhalb des Titels zulässt. Deswegen habe ich Gutenberg erst einmal wieder rausgeschmissen und einen Feature-Request abgegeben. Vielleicht haben ja noch anderen Leute Interesse daran, Elemente oberhalb des Titels anzuzeigen: Dachzeilen, Titelbilder, Disclaimer, Autoreninfos…
Eine gute Zukunft
Gutenberg ist wichtig für WordPress und es entwickelt sich gut. Niemand kann erwarten, dass schon die erste Version alle Wünsche erfüllt. Deswegen wird Gutenberg auch langfristig neben dem klassischen Editor angeboten werden. Ich hoffe, dass Gutenberg immer so konfigurierbar ist, dass die Benutzer.innen damit nichts machen können, das das Layout sprengt. Ich freu mich aber darauf, mit Gutenberg zu arbeiten.
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