Am 2. November finden in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahlen statt und noch nie – so scheint es – hat sich die Welt für den Ausgang einer solchen Wahl interessiert wie jetzt. Das kann nicht nur daran liegen, dass der jetztige Präsident George W. Bush nicht eben geschickt im Umgang mit Fettnäpfchen ist. Vor allem im Umgang mit anderen Ländern stieß er in der Vergangenheit mit seiner texanisch polternden Art nicht immer auf Gegenliebe. Ein Faktor dieser Faszination geht wohl auch davon aus, dass die amerikanische Vorzeigedemokratie an einem Scheideweg steht. Wobei noch völlig unklar ist, ob Amerika hier überhaupt eine Wahl hat.Nach dem 11. September war die Welt geschockt. Am schlimmsten ist es natürlich für die Amerikaner selbst gewesen, auf eigenem Boden plötzlich angreifbar zu sein. Die atomare Bedrohung des kalten Krieges hing mehr wie eine bleierne Wolke über der Zeit. Da aber niemand zu Schaden kam, richtete man sich damit ein und lebte ganz gut.
Auf einmal nun starben Menschen durch die Hand von Ausländern mitten im Herzen der USA. Dass soetwas nicht unbeantwortet bleiben kann, war klar. Doch gegen wen sollte man kämpfen? Die Männer aus den Flugzeugen waren ja alle tot und sie kamen nichtmal aus dem gleichen Land. Niemand hatte den Krieg erklärt. Es war sozusagen eine Privataktion.
Neben dem Krieg gegen Afghanistan und den Irak blieb man aber auch im eigenen Land nicht tatenlos. Der Partiot Act sollte Aktionen initiieren, die terroristische Anschläge auf amerikanischem Boden unmöglich machen sollten. Dazu wurden vor allem die Behörden umstrukturiert und das neue „Department of Homeland Security“ (Heimatschutzbehörde) eingerichtet. Einer Superbehörde mit mehr als 180.000 Mitarbeitern und einem Etat von 18 Millarden Dollar. Sie verfügt über weitreichende Überwachungsrechte und übt sie auch aus.
In die USA einreisen kann heute schon niemand mehr, ohne Foto und Fingerabdrücke zu hinterlassen – zumindest, wenn man die offiziellen Wege nimmt. Wie Michael Moores Film „Fahrenheit 9/11“ gezeigt hat, kann man auf jedem anderen Weg ziemlich unbemerkt einreisen. Die USA haben eine laaaaange Grenze und nicht überall stehen Zäune oder Soldaten. Wer es also wirklich auf eine unbemerkte Einreise abgesehen hat, kann daran nicht gehindert werden.
Wie will aber das amerikanische Volk diesen Bespitzelungsapparat jemand wieder loswerden? Ist das überhaupt möglich in einem politischen Klima, dass jeden zum Volksfeind macht, der diese Maßnahmen nicht für richtig hält?
Senator John Kerry, demokratischer Gegenkandidat in der Präsidentschaftswahl, gibt sich in Reden und den „Rededuellen“ allergrößte Mühe, nicht wie ein Schwächling zu wirken, der alles wieder zurückdreht, wenn er denn gewählt würde. Gegen den platten Patriotismus Bush’s kommt er mit seinen differenzierten Argumenten kaum an. Und letztlich bleibt die Frage, ob überhaupt irgendein amerikanischer Präsident der Versuchung widerstehen kann, den Bespitzelungsapaarat für seine Belange einzusetzen.
Man könnte sagen, dass das ja auch Demokraten sind, die ihre Karrieren der Demokratie zu verdanken haben. Es müssen aber auch ungeheuer rücksichtslose Machtmenschen sein, denn sonst wären sie die Leiter nicht so hoch geklettert.
Mein Eindruck ist, dass auch in der Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung die Rechte nicht mehr werden. Man darf zwar länger einkaufen und billiger telefonieren. Man darf inzwischen aber auch rastergefahndet werden und zukünftig Fingerabdrücke und Irisscans auf dem Personalausweiß tragen. Durch den sogenannten „Großen Lauschangriff“ ist die Wohnung nicht mehr so sicher, wie sie einmal war – Umgerechnet auf die Bevölkerung wird bei uns etwa fünfzehnmal so viel abgehört wie in den Vereinigten Staaten.
Und erst kürzlich fiel relativ unbemerkt ein eherner Grundsatz unseres Staates, nämlich Menschenleben nicht mit Menschenleben aufzurechnen. Durch das Luftsicherheitsgesetz ist es jetzt möglich, entführte Flugzeuge durch die Bundeswehr abschiessen zu lassen. Und die Passagiere und das Personal des Fluzgeuges werden vom Staat geopfert, um andere Menschen zu retten.
Wenn man dieser Kette von Einschränkungen der Bürgerrechte folgt muss man sich überlegen, ob eine andere Richtung überhaupt möglich ist. Man stellt zum Beispiel fest, dass das organisierte Verbrechen auf dem Rückmarsch ist und dass man den großen Lauschangriff nicht mehr braucht. Wird er dann abgeschafft? Vermutlich nicht.
Wählen die Amerikaner Kerry, gibt es zumindest noch die Chance, diese Entwicklung aufzuhalten oder zu verlangsamen. Mit George Bush werden sie im Galopp in den Abgrund reiten. Und mit den Amerikanern die ganze Welt. Das zumindest befürchte ich.
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