„Guter Stil ist die Vermeidung von schlechtem.“ Mit ein wenig Frechheit wird dann aus einem Text ein guter Text, meint der Journalist Constantin Seibt.
Nachrichten sind überall. Sobald etwas veröffentlicht ist, ist es nicht mehr exklusiv. Der Zugang zu Nachrichten ist damit nicht mehr das Killer-Feature von Zeitungen.
Die meisten Themen in der Zeitung gehen den Leser persönlich nicht einmal etwas an. „Selbst wenn es ihn etwas angeht, ist kaum jemand in der Lage, aus den Informationen irgendeinen praktischen Nutzen zu ziehen oder etwas daran zu ändern,“ erklärt Constantin Seibt und zieht daraus den Schluss, dass Journalisten nicht primär im Informationsbusiness tätig sind, sondern im Zeitverschwendungsgeschäft.
Wer morgens die Zeitung aufschlägt sollte etwas finden, was ihm die Zeit zwischen Zähneputzen und dem Weg zur Arbeit intelligent vertreibt. Geschichten, die dem Leser etwas über die Welt erklären. Wichtig sind dabei nicht nur die Fakten, sondern auch deren Verpackung: Die Erzählung und ihr Stil. Constantin Seibt hält sich hier an die Philosophin Hannah Arendt:
Denn was wir unter Wirklichkeit verstehen, ist niemals mit der Summe aller uns zugänglichen Fakten und Ereignisse identisch und wäre es auch nicht, wenn es uns je gelänge, aller objektiven Daten habhaft zu werden. Wer es unternimmt, zu sagen, was ist, kann nicht umhin, eine Geschichtezu erzählen, und in dieser Geschichte verlieren die Fakten bereits ihre ursprüngliche Beliebigkeit und erlangen eine Bedeutung, die menschlich sinnvoll ist.
Das ist der Grund, warum «alles Leid erträglich wird, wenn man es einer Geschichte eingliedert oder eine Geschichte darüber erzählt», wie Isak Dinesen gelegentlich bemerkt – die nicht nur eine grosse Geschichtenerzählerin war, sondern auch, und in dieser Hinsicht nahezu einzigartig, wusste, was sie tat. Sie hätte hinzufügen können, dass das Gleiche von der Freude gilt, die auch für Menschen erst erträglich und sinnvoll wird, wenn sie darüber sprechen und die dazugehörige Geschichte erzählen können.
Insofern Berichterstattung zum Geschichtenerzählen wird, leistet sie jene Versöhnung mit der Wirklichkeit, von der Hegel sagt, dass sie «das letzte Ziel und Interesse der Philosophie ist», und die in der Tat der geheime Motor aller Geschichtsschreibung ist, die über blosse Gelehrsamkeit hinausgeht.
In meinem Blog bin ich im Vorteil gegenüber Journalisten:
- Ich muss hier nicht jeden Tag etwas schreiben.
- Ich kann hier ausschließlich über Themen schreiben, von denen ich meine eine Ahnung zu haben.
- Die Leserinnen und Leser kommen meistens per Suchmaschine her. Das heißt, dass sie sich das Thema selbst ausgesucht haben – es geht sie etwas an und gerade meine Artikel zu technischen Themen sollen tatsächlich dabei helfen, etwas zu ändern.
Auch muss ich nicht das Geschäftsmodell von Zeitungen retten. Das kann mal jemand anderes machen. Deswegen hat mich die zweite Hälfte des Buchs eher theoretisch interessiert.
Trotzdem habe ich aus der Lektüre eine ganze Reihe Ideen mitgenommen und ich fühle mich bestärkt in einigen Dingen, die ich schon länger mache. Wer sich vor allem für diese Schreibtipps interessiert, kann auch einfach im Deadline-Blog stöbern. Da stammen viele der Kapitel aus dem Buch her.
Deadline ist 2013 erschienen bei kein&aber, hat 320 Seiten und kostet 24,90€.
via Oliver Trenkamp
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