Am 13.+14. August 2010 fand endlich das erste BarCamp in Kiel statt. Seit Wochen und Monaten hatten wir geplant, gemailt, konferiert, telefoniert, sortiert und gesammelt, gestöpselt und verkabelt, verdrahtet und vernetzt, so dass alles wie am Schnürchen lief.
Ein BarCamp ist eine Konferenz, bei der die Organisatoren nur für den Rahmen sorgen. Die Inhalte werden von den Teilnehmern vor Ort eingebracht. Dafür gibt es dann 30-minütige Slots, in denen man sich einen Raum nehmen kann, um anderen Teilnehmer einen Vortrag zu halten, mit ihnen zu diskutieren oder einen Workshop durchzuführen.
100 neue BarCamper!
Normalerweise haben BarCamps immer das Problem, dass die Kenner schon Monate im Voraus wissen, wann sie sich anmelden müssen, um die Veranstaltung dann in einem Tag auszubuchen. Neulinge haben da fast nie eine Chance. In Kiel war es genau umgekehrt: Von den knapp 100 Teilnehmern der Eröffnungsrunde am Freitag waren nur eine Hand voll schon auf anderen Camps. Entsprechend zurückhaltend waren viele Teilnehmer am ersten Tag.
Dafür schöpften am zweiten Tag umso mehr Leute Mut, selbst eine Session anzubieten. Am Ende war die Beteiligung so groß, dass wir noch einen fünften Track in einem zusätzlichen Raum öffnen mussten – und selbst der war fast ausgebucht.
Große Resonanz
Als wir Anfang des Jahres die ersten Male zusammen saßen und überlegt haben, ob wir denn ein BarCamp machen sollten, haben wir versucht abzuschätze, wie viele Leute denn wohl kommen könnten. 20–25 Teilnehmer sind immer beim WebMontag und für einen besonderen Termin konnten wir uns auch 40–50 Leute vorstellen. Letztlich waren über die 2 Tagen über 100 Leute im Wissenschaftszentrum. Auch wenn einige von ihnen nur einen der beiden Tage teilnehmen konnten und andere hatten wohl schon am Vormittag des Freitags festgestellt, dass ein BarCamp nichts für sie ist.
Sessions
Ich habe selbst wenig von den Sessions mitbekommen. Ich war zufrieden damit, dass die Veranstaltung lief. Ich fand aber trotzdem die Mischung ganz gelungen: Für Einsteiger, Aufsteiger und Profis sollte etwas dabei gewesen sein.
Spannend war das große Interesse am (Lokal-)Journalismus. Umso enttäuschender, dass sich die Kieler Nachrichten nie auf die Einladung zur Teilnahme gemeldet haben. So wurde halt viel über die Zeitung geredet statt mit ihr.
Interessant war auch, dass zum Einen Viele sagten, dass sie sich für Netzpolitik interessierten, dass aber niemand eine Session angeboten hat. Es gab nur eine Diskussion allgemein unter der Überschrift „Netzpolitik“. Die hätte, wie Sebastian schrieb, leicht zum Politiker-Bashing werden können. Durch den CDU-Kommunalpolitiker Malte Steckmeister, die Spitzenkandidatin der Piratenpartei zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein, Anika Tanck, mich als Mitarbeiter der SPD, und einige andere Teilnehmer mit Parteierfahrung konnten ein paar gängige Vorurteile ausgeräumt werden:
- Parteien funktionieren nicht nach dem Führerprinzip mit Befehl und Gehorsam.
- Eine Bundestagswahl ist in keinster Weise mit der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl zu vergleichen – und das ist auch den Parteien klar.
- Ortsvereine, Ortverbände oder Ortsgruppen sind vor allem kleine Dorfvereine.
- Die Mitglieder treten in der Regel nicht in die Partei ein, um die Homepages zu betreiben.
- Selbst die Piratin kann nicht immer alle Mails selbst beantworten. Und das ist auch nicht schlimm, weil sich Anfragen oft wiederholen und schlaue Mitarbeiter das nach kurzer Einarbeitung selbst im Sinne der Chefin oder des Chefs beantworten können.
- Die meisten Politiker sind Menschen.
- Menschen machen Fehler und korrigieren sie bei Gelegenheit.
- usw.
Dabei kam natürlich ein wenig zu kurz, dass wir eigentlich ein neues Urheberrecht erfinden wollten oder die Netzneutralität neu definieren.
Netzwerken
Ein BarCamp ist mit der Taktung „Halbe Stunde Session / Halbe Stunde Pause“ extra so angelegt, dass viel Zeit für kleinere Grüppchen ist. Die Sessions sollen dabei helfen, dass die Teilnehmer ins Gespräch kommen und vielleicht auch Aktivitäten für die Zeit nach dem BarCamp planen. Ich habe da sehr interessante Gespräche gehabt und viele nette Leute kennengelernt.
Jour Fitz
Ziemlich von Anfang an hatten wir die Idee eines Kulturangebots für die BarCamper. Miriam hat dann das Jour Fitz angeschleppt und das hat sich als wunderbare Veranstaltung herausgestellt: Eine Bloglesung in milder Abendstimmung. Von brüllend komisch, hintersinnig zum Schmuzeln bis zum fortscheitenden Wahnsinn.
Dank an die Sponsoren
Ich möchte wirklich herzlich und nicht aus Verpflichtung allen Sponsoren danken:
- Das Sponsoring-Angebot von Otto war der eine große Starthilfe – ein kleines BarCamp hätte man im Notfall davon auch so veranstalten können. Dadurch hatten wir eigentlich nie Probleme mit dem Geld.
- Das Wissenschaftszentrum war so großzügig, uns die Räume zur Verfügung zu stellen. Als das sicher war, hatten wir schon unser Basis-BarCamp: Ein Datum und Räume. Alles andere hätte sich schon gefunden. Und wenn wir Pizzaflyer ausgelegt hätten.
- Enteraktiv, die sofort die Reinigungskosten übernommen haben. Da mussten wir gar nicht lange drum herum reden.
- KielNet und Addix sind sehr schnell in die Orga mit eingestiegen und haben Internetzugang und WLAN besorgt. Wenn die nicht auf uns zugekommen wären – ich weiß gar nicht, wen wir dann angerufen hätten, um das zu regeln.
- Die Zusammenarbeit mit der Kooperativa hat toll funktioniert und hervorragend gepasst. Selten hat man so guten Kaffee auf Konferenzen. Und dann ist der noch fair gehandelt.
- Ich war ja erst skeptisch, wie sich wohl ein Sponsor wie T‑Mobile einbringt. Bislang habe ich aber nur begeisterte Reaktionen auf die Mister X‑Session mitbekommen.
- Wenn Nitor nicht einen Laster voll Modertationsmaterial geschickt hätte, hätten wir den ganzen Kram einzelnd kaufen oder irgendwo leihen müssen.
- Wichtig sind aber auch die vielen anderen Unternehmen, die mit ihren Beiträgen das BarCamp in seiner Form möglich gemacht haben: New Communication und seal Media wie auch die Kieler Linuxtage, Kiel Marketing, die Förde Sparkasse, getDigital.de, Consist und netImpact.
Fazit
Die Gemeinde der BarCamper ist seit dem Wochenende 100 Personen größer geworden. Unseren Bildungsauftrag (abgeleitet aus unserem Sendungsbewusstsein) haben wir somit voll erfüllt. Wir haben dafür gesort, dass Schleswig-Holstein kein weißer Fleck mehr auf der Web2.0‑Karte ist und wir haben gezeigt, dass es hier eine Szene gibt.
Ich persönlich hoffe, dass das BarCamp zur Vernetzung der Szene beigetragen hat und dass ein paar Leute mehr Kiel mögen.
Da das Wissenschaftszentrum, KielNet und Addix schon Unterstützung auch im nächsten Jahr zugesagt haben und die Kooperativa auch gerne das Catering wieder machen möchte, sollte es auf jeden Fall 2011 eine Fortsetzung geben.
Links
- Homepage: BarCamp Kiel
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