Als Ende Mai das Video mit der Präsentation von Google Wave auftauchte, war die Szene elektrisiert: Google Wave wollte die 40 Jahre alte E‑Mail ersetzen und vereinte diese mit diversen typischen Web2.0 Features. Und vor allem, sollte das System offen für eigene Entwicklungen sein. Jetzt wurden die ersten Testzugänge freigeschaltet und Dank Axel habe ich auch einen bekommen.
Natürlich ist die Oberfläche von Google Wave an das Aussehen von Mail- oder Chat-Programmen angelehnt – Man soll sich ja zurecht finden. Also gibt es eine Kontaktliste, einen Posteingang mit Ordnern und dann die Ansicht der einzelnen „Waves“.
Das erste Problem: Die Kontaktliste ist natürlich leer. Kommunikation alleine ist langweilig. Beim WebMontag hatte Stefan Google Wave vorgestellt. Dessen Wave-Adresse habe ich mir damals in weiser Voraussicht gemerkt. Und Stefan wurde dann auch mein erster Wavepartner.
Wie man wavet
Die Kommunikation per Wave funktioniert entweder synchron, wenn der oder die Gesprächspartner gerade online und willens zu waven sind. Sonst bleiben die eigenen Waves ungelesen im Postfach der Empfänger liegen und warten auf Bearbeitung.
Bei Skype ist das so ähnlich – Dort kann man auch Leute anchatten, die nicht online sind. Allerdings werden dort die Nachrichten erst übertragen, wenn beide gleichzeitig online sind. Da Wave wie Mail mit einem zentralen Server arbeitet, liegen die Waves im Eingang, auch wenn der Sender offline ist.
Kein Ping-Pong
Im Gegensatz aber zum klassischen Chatten, kann man bei Wave auch nachträglich eigene und fremde Einträge verändern – dann werden dem Empfänger die Änderungen angezeigt.
Man ist also nicht drauf angewiesen, immer wieder hin und her zu diskutieren: Man kann direkt am Ergebnis arbeiten. Man stelle sich vor, 2 Personen wollen eine Veranstaltung vorbereiten und statt zu schreiben: „Wer macht was? Ich mach dies, Du machst das. Und dann passiert X und danach Y. Ach ne, lieber doch andersrum…“ kann man zusammen an dem Plan schreiben: Der erste Gesprächsteilnehmer eröffnet eine neue Wave und schreibt einen groben Ablauf und schreibt auch auf, was noch fehlt. Der zweite kann das direkt ergänzen in dem Plan. Das ist dann eher so, wie man ein Wiki nutzen würde.
Plugins
Das System ist aber nicht auf Text beschränkt. Es lassen sich auch einfach Bilder, Videos und andere Medien hinzufügen. Dazu gibt es Plugins für Abstimmungen, mit den man einfach Umfragen erstellen kann. Wer aus der Firma kennt, wie da manchmal per Mail die Mittagspause geplant wird, kann sich vorstellen, wie einfach und schnell es gehen kann, wenn es stattdessen eine Wave gibt: „13.00 Uhr beim Italiener? Ja / Nein / Vielleicht“ – Und dann wird nur noch angekreuzt.
Zukunft
Zum Einen hat Wave im Moment noch das Problem, dass es fast niemand nutzt. Man muss die ganze Zeit dieses Browserfenster offen halten, damit man mitbekommt, dass jemand wavet. Da fehlen auch noch die Clients – Ein Firefox-Plugin hilft immerhin Waves nicht zu verpassen.
Dazu kommt, dass Wave noch nicht wirklich veröffentlicht ist – Googles Wave-Service ist der einzige bisher. Zukünftig soll es auch möglich sein, die Server selbst zu installieren. Wer nicht seine gesamte Kommunkation durch Googles Datenbanken führen will, muss also noch warten – Viele „Early Adopter“ halten sich sicher auch deswegen zurück.
Ich denke, man muss die Möglichkeiten des Systems noch ausloten und es muss sich – wie bei der E‑Mail oder beim Chat damals – eine anerkannte Nutzungsweise entwickeln, denn Wave bietet auch die Möglichkeit zum totalen Kommunikationschaos: Wenn jede überall editiert oder endlos lange Chat-artige Sitzungen entstehen, fällt die Nachverfolgung schwer.
Auf jeden Fall ist Wave ein mutiger Versuch, die Internetkommunikation nach 40 Jahren Mail neu auf die Füße zu stellen. Der offene Ansatz ist dabei erfolgversprechend. Zur Zeit fehlt mir aber noch die Anwendung dafür.
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Foto: © taretz | photocase.com
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