Zwei Themen beherrschen gerade die Diskussionen rund um das Internet: Zensurfilter und Kostenloskultur. Bei dem einen Thema wollen bestimmte Politiker zunächst kinderpornografische Inhalte aus dem Internet filtern und bei dem anderen beklagt sich die Medienbranche über illegale Kopien und die Erwartung der Internetznutzer, dass alles kostenlos sein müsse. Leider sind diese Themen nicht ganz so einfach, wie uns Politiker und Medienleute es uns weiß machen wollen – und sie hängen zusammen.
Kostenloskultur
Bei der Diskussion um illegale Kopien und die sogenannte Kostenloskultur muss man zunächst wissen:
Das Internet ermöglich es digitale Inhalte (Text, Ton, Film) quasi kostenlos zu verteilen. Ich kann einen Text schreiben – wie zum Beispiel hier im Blog – und auf einen kostenlosen oder billigen Webspace ablegen. Danach kann ihn jeder abrufen. Ich muss kein Papier kaufen, keine Druckschwärze, ich habe keine Kosten für eine Druckerei und auch keine dafür, dass ich bedrucktes Papier um die Welt an die Leser verschicke. Das gilt in Abstufungen auch für Ton und Film, die durch die größeren Datenmenge unter umständen teurer zu hosten sind. In P2P Netzwerken wird aber zum Beispiel selbst diese Last auf die Anwender verteilt. Zusätzliche Kopien kosten kaum extra.
Dazu kommt, dass digitale Inhalte von jederman verschlagwortet, durchsucht oder verlinkt werden können. Sie können unabhängig von bestimmten Geräten empfangen, weiterverarbeitet und wieder gesendet werden. Sehbehinderte können sich zum Beispiel digitale Texte vorlesen lassen oder auf Braille-Zeilen ertasten.
All diese Vorteile bietet das Medium „Internet“ gegenüber Buch, CD oder DVD. Diese Vorteile kennen viele Menschen inzwischen – bisher vor allem aus illegalen Quellen, weil die Verlage und Labels es nicht geschafft haben, diese Vorteile mit einem Businessmodel zu kombinieren, bei dem sich die Kunden nicht verarscht vorkommen: Entweder werden die Vorteile digitaler Medien radikal reduziert (DRM) oder die Preise sind höher als bei physikalischen Medien, obwohl doch die Kosten geringer sind.
Außerdem wehren sich die Medienvertreter gegen die Entwicklung im Internet, weil ein Großteil der bisherigen Industrie so nicht mehr benötigt wird und neue Player (MySpace, LastFM & Co.) auftreten. Es ist wichtig, dass Musiker, Autoren und Filmemacher mit ihrer Arbeit Geld verdienen können, wenn sie es wollen. Es ist aber nicht wichtig, dass das mit der Industrie im Hintergrund passiert, wie in den letzten 40 Jahren. Als in den 60er-70er Jahren die Heizer bei der Bahn überflüssig wurden, hat man sie trotzdem noch bis Mitte der 90er Jahre als „Beimann“ in den modernen E- und Diesel-Loks mitfahren lassen. Die Medienindustrie wird zum Beimann der Medienschaffenden.
Zu den Schwierigkeiten der Industrie kommt das Engagement vieler Freiwilliger: Die quasi kostenlose Distribution im Internet ermöglicht hunderte Blogs, die sich heute mit Themen beschäftigen, zu denen es früher nur wenige Fachzeitschriften gab – und die Inhalte müssen nicht schlechter sein. Bekam man früher sein Wissen über aktuelle Software zum Beispiel nur aus den einschlägigen Magazinen, kann man das heute tagesaktuell im Internet nachlesen: Von Benutzern für Benutzer.
„Die Debatte um Internet und Urheberrecht zeigt vor allem eines: den Unwillen weiter Teile des Führungspersonals hierzulande, sich auf die neue Wissensökonomie des Internets einzulassen. Statt zu gestalten wird gezetert. Dabei kann das Urheberrecht allein die alten Institutionen nicht retten.“ – carta.info
Die Filterung des Internets
Kürzlich stellte die Bundesregierung ihren „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet“ vor. Der Zweck steckt im Titel: Kinderpornografie soll bekämpft werden. Aber kaum erblickt diese Idee das Licht der Welt, stellen Andere ihre Forderungen:
„Und in Deutschland stehen die Interessensgruppen bereits in den Startlöchern. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie, hakte sich sogleich bei der Ministerin ein: ‚Der Vorstoß der Familienministerin zum Verbot von Kinderpornografie im Internet ist ein richtiges Signal. Es geht um gesellschaftlich gewünschte Regulierung im Internet, dazu gehört auch der Schutz des geistigen Eigentums.‘ Das ist die mühsam verklausulierte Forderung, unliebsame P2P-Linkseiten auf die Sperrliste zu hieven.“ – heise.de
Auf den bekannt gewordenen Sperrlisten aus anderen Ländern stehen zu über 90% Server, die in Ländern stehen, in denen man die Angebote sofort vom Netz nehmen könnte wenn man es denn wollte. Dazu kommt, dass normale Webseiten nicht die Hauptquelle für Kinderpornografie sind.
Es wird also in beiden Fällen nicht die Wurzel des Problems bekämpt, weil weder die beteiligten Politiker noch die Medienvertreter verstehen, welche Chancen in einem freien Internet liegen. Diese Chancen verspielen wir, wenn wir das Internet künstlich beschneiden, weil nicht sein darf, was nicht sein kann.
Das Internet ist schon jetzt kein rechtsfreier Raum, wie gerne behauptet wird. Und es gibt eine Menge Leute, die legal eine Menge Geld im Internet verdienen. Wer bestehende Gesetze nicht anwendet und seinen Kunden kein interessantes Angebot im Internet machen kann, sollte vielleicht lieber den Job wechseln.
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