Das W3C ist langsam geworden: Hinkten früher immer eher die Browser und die Webentwickler hinter den Spezifikationen des Konsortiums her, sieht es jetzt eher so aus, als warteten alle auf den nächsten großen Wurf. Aber so richtig in Aussicht ist das nichts. Die letzte Veröffentlichung des W3C war der „Last Call“ zur WCAG 2.0 und der hat kaum jemanden begeistert. Inzwischen finden sich die ersten Abtrünnigen zusammen in der „Web Hypertext Application Technology Working Group“ (WHATWG), um zügiger arbeiten zu können.Wie schon im Artikel Internet-Design der Zukunft geschrieben, gehe ich davon aus, dass sich Internetseiten zum Teil immer mehr zu richtigen Applikationen werden. Hier stößt allerdings die gängige HTML-Technik an ihre Grenzen. HTML war dafür gedacht, Textdokument hierarchisch zu gliedern. Und im Prinzip sind auch heute noch alle HTML-Elemente für diesen Zweck gedacht.
Eine Bilder-Galerie lässt sich aber nur unter ziemlicher Überdehnung des Dokumenten-Begriffs korrekt in HTML umsetzen. Komplexe Bedieneroberflächen für Online-Applikationen lassen sich natürlich auch mit dem vorhandenen HTML erstellen. Aber es ist übermäßig kompliziert und dadurch, dass jeder seine eigenen Lösungen strickt, leidet die Bedienbarkeit. Benzeichnend ist in diesem Bereicht zum Beispiel das sprießen von verschiedenen JavaScript-Bibliotheken zur Gestaltung von interaktiven Frontends.
Warum also kümmert sich das W3C also nicht um die Spezifizierung neuer Bedienelemente wie Schiebereglern, Sortierfunktionen oder vernünftige Eingabemethoden für Daten und Uhrzeiten? Die WHATWG tut es und schlägt Web Applications 1.0 vor.
Diese Spezifikation zielt darauf ab, dass zentrale Funktionen direkt vom Browser ausgeführt werden. Dadurch wird das Look&Feel von Web Applikationen einheitlicher und weniger problemanfällig.
Spannend wird, wie das W3C auf die Initiativen der WHATWG reagiert, und wie die Browserhersteller mit 2 Spezifikationsgremien umgehen. Ob es die Sache einfacher macht, dass Teile der WHATWG auch Mitglied im W3C sind, wird sich ebenfalls zeigen.
Es ist jedoch wichtig, dass sich in diesem Bereich bald etwas tut – sonst erfinden sich wieder die Browserhersteller selbst Lösungen. So wie damals, als Netscape das FONT-Tag einführte. Es hat jetzt fast 10 Jahre gedauert, das Tag wieder loszuwerden. Und das Risiko steigt: Mit den Microformats bastelt ja noch eine weitere Community an eigenen Spezifikationen.
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