Es wird viel geredet. Und ich meine nicht Politiker, die reden sobald ihnen ein Mikrofon entgegen gereckt wird. Ich meine auch nicht den Smalltalk beim Friseur. Ich meine ganz grundsätzlich: Jeder Mensch redet. Wenn Menschen zusammenkommen, reden sie miteinander (Ausnahme: Fahrstuhl). Aber sonst wird die ganze Zeit geredet und das können die meisten Menschen echt gut. Sie können einem von komplizierten Vorgängen Bericht geben. Wenn es aber um die schriftliche Form geht, versagen die meisten Menschen. Bzw. die meisten versagen nicht, weil sie es einfach nie probieren. Derjenige aber, der schreiben muss, steht vor einem echten Problem.
Sokrates, Platon und Aristoteles. Die Erfinder der europäischen Philosophie waren ausgesprochene Gegner des geschriebenen Wortes. Laut Platon ist die schriftliche Form eine Profanisierung der Wahrheiten. Das allerdings weiss man von ihm nur, weil er doch etwas Geschriebenes hinterlassen hat. Was Sokrates aber gesagt hat, weiß man nur durch Platons Berichte. Sokrates hat nie etwas aufgeschrieben (zumindest soweit man weiß). Platon bestand darauf, dass man nur als Gedankenstütze schreiben sollte.
Aristoteles „Nikomachische Ethik“ ist ein Sammlung von Vorlesungsnotizen, die nie als umfassende schriftliche Abhandlung geplant war. Schüler des Aristoteles haben sie viel später zusammengetragen und in eine Reihenfolge gebracht.
Wo aber liegt das Problem? – Dietrich Schwanitz schreibt in „Bildung“, dass man der europäischen Philosophie nachsagt, sie bestünde nur aus Fußnoten zu Platon. Und in gewisser Weise muss man hier zustimmen. Denn während ein Vortrag in einem Zuhörer Gedanken auslöst, die viel komplexer sind als das gesprochene Wort, verliert sich der Leser oft in der Semantik: „Wie ist dieses Wort gemeint? Warum schreibt er gerade jetzt dieses oder jenes?“ – Besonders problematisch ist das natürlich, wenn man zusätzlich noch mit Übersetzungen arbeitet. Ein Wort im Altgriechischen verfügt oft über einen ganz anderen Bedeutungshorizont als das vom Übersetzer als Kompromiß gewählte deutsche Wort.
Im Prinzip haben die drei alten Griechen genug gesagt. Hätte man ihre Lehre von Generation zu Generation mündlich tradiert, wäre der Gedanke dahinter genügend erhalten geblieben – die Form wäre aber immer angepasst worden.
Und hier liegt das Problem des Autors: Auf welche Worte lege ich mich fest? Welche Worte sagen genügend viel, um einen Eindruck beim Leser zu erzeugen, aber nicht so viel, dass kein Freiraum für die Einpassung in das eigene Leben möglich ist?
Das gilt für Prosa wie für wissenschaftliche Texte. In einem wissenschaftlichen Text kann man nie alles beschreiben. Die Kunst liegt in der Begrenzung. Aber man muß die Anknüpfungspunkte angemessen offenlassen, wenn der Text nicht übersimplifizierend werden soll.
Ebenso ist dieser Text für mich mehr eine Gedankenstütze und eine Notiz – wie alle anderen Beiträge bei Kaffeeringe.de auch. Deswegen geh ich jetzt auch nicht noch auf de Saussure und Chomsky ein, sondern beende diesen Text mit diesem performativen Sprechakt 😉
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